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Denkzettel für Rüttgers

Peter Stützle27. November 2006

Angela Merkel wurde beim CDU-Bundesparteitag überraschend deutlich mit 93 Prozent zum dritten Mal in ihrem Amt bestätigt. Ihr Stellvertreter Jürgen Rüttgers wurde für den vom Zaun gebrochenen Richtungsstreit abgestraft.

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Angela Merkel kann sich bei Jürgen Rüttgers bedanken. Es hatte in den vergangenen Monaten viel Unmut an der Parteibasis gegeben über die Vorsitzende und Kanzlerin. Im Frühjahr hatte sie das im Wahlkampf noch heftig bekämpfte Anti-Diskriminierungsgesetz der Sozialdemokraten fast unverändert übernommen, im Sommer dann mit der SPD eine Gesundheitsreform ausgehandelt, die den Parteimitgliedern so wenig einleuchtete wie der übrigen Bevölkerung.

Politiker der Union stöhnen darüber, was sie sich seitdem in ihren Wahlkreisen so alles anhören müssen. Dass sich das im Ergebnis niederschlägt, wenn sich Angela Merkel jetzt auf diesem Parteitag zur Wiederwahl stellen würde, war zu erwarten - doch es kam ganz anders: Sie wurde sogar mit einem besseren Ergebnis als Parteivorsitzende bestätigt als vor zwei Jahren: Mit 93 statt 88 Prozent.

Das hat mit Jürgen Rüttgers zu tun - und mit einer anderen Reform, die die Menschen im Lande umtreibt: Mit der Reform des Arbeitsmarktes, dem so genannten Hartz-Paket, umgesetzt noch von Gerhard Schröder, aber mit Zustimmung der CDU. Ältere Arbeitslose sind damit wesentlich schlechter gestellt als früher, manch einer fällt nach langem Arbeitsleben in Armut.

Jürgen Rüttgers, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und CDU-Landeschef dort, wollte das ändern - und in Umfragen stimmten ihm 80 Prozent der Bevölkerung zu. Sein Vorstoß war aber auch ein Affront gegen die wirtschaftsfreundliche Linie der Kanzlerin, die Rüttgers seit der beinahe verlorenen Bundestagswahl vor einem Jahr kritisierte. Das aber verübeln ihm viele in der Partei. Er erzielte mit knapp 58 Prozent das schlechteste Ergebnis unter den vier Stellvertretern.

Dass Angela Merkel Rüttgers und seine Gefolgsleute vom Sozialflügel der CDU nicht frontal attackierte, sondern geschickt einband, dass sie aus dem drohenden Richtungsstreit eine sachliche Richtungsdiskussion machte, das haben ihr viele in der Partei hoch angerechnet. Das gute Ergebnis ihrer Wiederwahl ist der Lohn dafür.

Und das schlechte Ergebnis für Rüttgers bei der Stellvertreterwahl - 58 Prozent ohne Gegenkandidaten - ist für ihn ein Denkzettel. Er wird ihn gleichwohl wegstecken können, denn bei sich zu Hause in Nordrhein-Westfalen hat ihn sein Vorstoß populärer gemacht. Rüttgers will in der CDU weiter für eine soziale Politik kämpfen - und dabei nicht zwangsläufig Merkel als Gegnerin haben. Denn auch sie hat in ihrer Rede deutlich gemacht, dass sie erkannt hat: Mit einer von den Menschen als ungerecht empfundenen Politik kann die CDU keine Wahlen gewinnen.