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Kosovo: "Die Serben sind eindeutig eine Minderheit"

10. August 2006

Die Serben fordern im Kosovo den Status eines konstitutiven Volkes. Im Interview mit DW-RADIO erläutert Ernst Köhler, Historiker an der Universität Konstanz, diese Ansprüche und ihre möglichen Folgen.

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Bild: DW

DW-RADIO/Serbisch: Herr Köhler, was ist ein konstituierendes Volk und was ist eine Minderheit in einem Staat?

Ernst Köhler: Erst einmal muss man von der Größenordung sprechen. Die Serben sind für meine Begriffe eindeutig eine Minderheit. Sie waren einmal eine Herrenschicht, jetzt sind sie eine Minderheit - so wie die Türken-, Goraner- und Roma-Gemeinschaft dort. Sie haben eine andere Geschichte. Es ist für mich absurd, die Position der Serben aus diesem Minderheitenstatus herauszuheben.

Können die Serben als konstituierendes Volk des Kosovo betrachtet werden?

Ich würde sie nicht als ein konstituierendes Volk betrachten, schon von den Dimensionen her und weil dahinter eine separatistische Politik steckt, die von Belgrad aus inspiriert ist. Es muss darauf insistiert werden, dass es sich hier um eine Minderheit handelt wie die anderen Minderheiten auch. Eine besondere Bedeutung kann ihnen nicht zugemessen werden.

Warum sind die Serben Ihrer Meinung nach eine Minderheit? Die Kosovo-Serben argumentieren doch, Kosovo sei Teil von Serbien und sie lebten in Serbien, deswegen seien sie ein Volk und keine Minderheit.

Das ist diese inzwischen völlig gescheiterte großserbische Konzeption, die offensichtlich immer noch hinter dieser Verweigerung in Wien steckt. Das hat überhaupt keinerlei praktische, realpolitische Chance mehr im Moment. Man muss sich nur überlegen, was daraus folgen würde. Es würde daraus eine kleine Republika Srpska im Kosovo folgen mit entsprechenden Kompetenzen im Bereich der Justiz, Polizei, alles undenkbar für meine Begriffe.

Was würde eine solche Entwicklung für das Kosovo bedeuten?

Es würde eine Zerspaltung und Unregierbarkeit des Kosovo bedeuten, des jungen neuen Staates. Es würde eine Fremdbestimmung von Belgrad aus bedeuten und das Land würde daran gehindert, zur Ruhe zu kommen.

Können die Serben ihrer Meinung nach in einem unabhängigen Kosovo leben?

Sie müssen sich entscheiden, sie müssen sich aus dieser Fremdbestimmung und Fernleitung von Belgrad aus emanzipieren, anders haben sie da keine Chance. Soweit sie das tun – nicht gerade in Nord-Mitrovica, aber in Gjilan – gelingt das. Sie haben dort nur dann eine Chance, wenn sie sich aus einer großserbischen Instrumentalisierung herauslösen.

Das Interview führte Bahri Cani
DW-RADIO/Serbisch, 8.8.2006, Fokus Ost-Südost