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Rumänien: Kinder als Securitate-Spitzel

20. Juli 2006

Die jüngsten Enthüllungen des rumänischen Nationalen Rates für die Aufarbeitung der Securitate-Akten zeigen, dass die Kommunistische Geheimpolizei 12-15-Jährige Kinder als informelle Mitarbeiter geführt hat.

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Auch Kinder wurden von der Geheimpolizei ausgenutztBild: Tabling

Bespitzelung der Eltern, Schulkameraden und Lehrer – das war ihr Auftrag. 16 Jahre nach dem Sturz des Diktators Ceausescu wird für viele Rumänen Gewissheit, was sie bisher nur vermutet hatten: Die Securitate hatte sich in die intimsten Bereiche des gesellschaftlichen Lebens hinein geschlichen. Und das auch mit Hilfe von Kindern.

Lange gehütetes Geheimnis

Weshalb aber diese Verspätung bei der Aufarbeitung der Securitate-Vergangenheit? Die Erklärung liegt auf der Hand: Die Nachfolge-Organisationen des kommunistischen Machtapparats hatten kein Interesse, die eigenen Mitarbeiter zu enttarnen. Erst nach den Wahlen von 2004 hat der Nationale Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Akten (CNSAS) den direkten Zugang zum Securitate-Archiv, das bislang dem rumänischen Informationsdienst SRI unterstellt war, stufenweise bekommen. Es bedurfte den klaren Forderungen des rumänischen Staatspräsidenten Traian Basescu, das bestehende Gesetz zu ändern. Trotz der neuen Gesetzgebung sind viele Rumänen skeptisch: Keiner hat die Gewissheit, dass der SRI die gesamten Akten freigegeben hat, keiner weiß, ob die Akten inzwischen nicht manipuliert worden sind – die nötige Zeit war allemal vorhanden.

Vergangenheitsbewältigung geht voran

Es bleibt der Verdacht, dass die beiden rumänischen Informationsdienste, der für das Inland zuständige SRI sowie der Auslandsgeheimdienst SIE ihre Mitarbeiter mit Securitate-Vergangenheit weiterhin schützen werden. Dennoch: Die Vergangenheitsbewältigung ist nicht mehr aufzuhalten – auch Dank der Zivilgesellschaft, die im CNSAS durch Persönlichkeiten wie Andrei Plesu oder Horia Roman Patapievici, zwei bedeutende Kulturphilosophen, vertreten war. Auch Dank des Dichters Mircea Dinescu, der sich als gegenwärtiges Mitglied der Behörde dafür stark macht. Die nächste Aufgabe ist bereits angelaufen: 330 leitende Journalisten – Direktoren, Chefredakteure, Kommentatoren – sollen in diesem Sommer vom CNSA durchleuchtet werden. Die Liste soll in einem zweiten Schritt auf rund 1.000 Journalisten ausgeweitet werden.

Kulturminister fordert Öffnung des Staatsarchivs

Ein weiterer mutiger Vorstoß kommt vom liberalen Kulturminister Adrian Iorgulescu. Dieser stellte Anfang der Woche seinen Gesetzentwurf zur Öffnung des Staatsarchivs vor. Das bestehende Gesetz sieht eine Sperre der "geheimen Akten" für 30 Jahre vor. Laut Iorgulescus Entwurf sollen Forscher bereits jetzt freien Zugang zu allen wichtigen Dokumenten von historischer Relevanz erhalten. Zudem sollen alle Bürger das Recht auf Kopien der Dokumente im Staatsarchiv bekommen. Die Gesetzes-Initiative wird von der rumänischen Zivilgesellschaft als wahre Revolution im Demokratisierungsprozess gewertet. Sollte das Gesetz verabschiedet werden, wäre damit ein weiterer Schritt weg von der kommunistischen Vergangenheit in Richtung Demokratie getan.

Horatiu Pepine, Bukarest
DW-RADIO/Rumänisch, 19.7.2006, Fokus Ost-Südost