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Ein blauer Brief von Bush

18. Juli 2006

... und andere Wahnsinnigkeiten im Alltag eines Mannes, der partout nicht verlieren kann. Thaksins letzte Tage. Oder auch nicht. Wer weiβ das schon in Südostasiens Bananenrepublik?

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Auch Staatsmänner von Welt sind doch nur Menschen. Ein wunderbares Beispiel dafür: zwei Seiten eines Briefes. Verfasst Ende Juni vom thailändischen Interimspremier Thaksin Shinawatra. Der ging per Express nach Washington, zum groβen George.

Nach ein paar Anfangsschleimereien kam Thaksin zur Sache. Er erklärte dem US-Präsidenten, was nun wirklich und tatsächlich in Thailand passiert – aus seiner eigenen Sicht. Da schimpfte er bitter über die Opposition, über seine undemokratisch handelnden "Gegner", die ihm persönlich ans Fell wollten, über Thailands Krieg gegen dem Terrorismus. Und er warnte Bush vor einer möglichen Eskalation.

Der Verfolgungswahn Stalins

Wie der Tagebucheintrag eines pubertierenden Teenagers liest sich die Chose. Die ganze Welt gegen Thaksin, gemischt mit dem Verfolgungswahn Stalins. Thaksin erklärte nichts – er lamentierte, stöhnte schriftlich, zeigte mit dem Finger. Seitdem der Inhalt dieses Briefes vorige Woche veröffentlicht wurde, verlieren die Thais die Geduld mit dem Mann.

Die Oppositionsparteien meinen, er lade die USA zu einer Intervention ein. Bürgerbewegungen fürchten, dass die thailändische Armee bald bei Demonstrationen gewaltsam eingreifen würde, und schreiben eifrig eigene Briefe an Botschaften in Bangkok. Der Thailändische Anwaltsverband schreit "verfassungswidrig", denn Thaksin schrieb "mein Land" anstatt "unser Königreich".

Oh Chaos! Peinlich das alles, vor allem angesichts der Antwort Bushs Anfang Juli. Distanzierter und kühler hätte die nicht ausfallen können. Vorformuliert klingt das Schreiben, einer Antwort auf Waffenlieferungen einer Bananenrepublik ähnelnd. Vielen Dank für die Blumen, bis zum nächsten Mal.

Schon wieder in Lebensgefahr

"Mist", dachte Thaksin sich, "das ging aber in die Hose". Auf in die nächste Runde. Vorige Woche gab man bekannt, dass Thaksin von einem geplanten Anschlag auf ihn erfuhren hätte. Und nicht zum ersten Mal. In Lebensgefahr scheint der Mann seit Anfang 2001 ständig zu schweben. Damals, nach einer Explosion an Bord einer Thai Airways-Maschine, die Stunden später Thaksin nach Chiang Mai bringen sollte, schrie Thaksin sofort: "Terror! Anschlag auf mich!" Dann kam heraus, dass es sich schlicht um einen Unfall gehandelt hatte, nicht um eine Bombe.

Labil und impulsiv

Das Ich-ich-ich-Denken Thaksins ist mehr als lächerlich, es grenzt an Paranoia – auch wenn ihm dies Psychiater nicht attestieren können; er habe lediglich eine ergebnisorientierte Persönlichkeit, er sei labil, handle impulsiv. Als ob das nicht genug wäre. Dieselben Psychiater raten Thaksin, sich in einen ruhigen Tempel zurückzuziehen und durch Meditation Kraft zu tanken.

Agenten mit Uzis

Aber das kommt für Thaksin nicht in Frage. Er macht weiter. Auch wenn ihn keiner mehr so recht will. Er will sich selbst. Selbst wenn die Warnung von ihm fingiert wurde, muss der thailändische Secret Service sie ernst nehmen. Und nun bewegt Thaksin sich durch Bangkok wie ein lateinamerikanischer Drogenkartellboss. Per schwarzem Geländewagen, umstellt von Agenten mit Uzis. Jede Speise wird vorgekostet. Die Familie wird beim Einkaufen von Militäertypen begleitet.

Aber aufgeben will er nicht. Da müssen seine – wahren und eingebildeten – Gegner schon zu härteren Mitteln greifen. "Nur zu", scheint Thaksin zu sagen, "nur zu".