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Der Duden - eine Ikone

Günther Birkenstock21. Juli 2006

Das aktuelle Wörterbuch zur erneut reformierten Rechtschreibung ist da. 28.000 Stichwörter hatte der erste Duden aus dem Jahr 1880, jetzt sind's 130.000. Ein Blick in die Geschichte des Werkes.

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Gibt es ein wichtigeres Buch als dieses in Deutschland? Eines, das bekannter wäre und dabei nicht einmal eine Geschichte erzählt, einen Glauben oder eine Ideologie vertritt? Wohl kaum. In 90 Prozent der deutschen Haushalte und Büros gehört der Duden zum Inventar und wird vermutlich öfter in die Hand genommen als die Bibel, vom Grundgesetz ganz zu schweigen.

Der Duden ist ein Markenartikel, eine anerkannte Institution, mehr noch, eine Ikone. Er ist nicht nur ein Synonym für korrekte Rechtschreibung. Er zeigt jedem, und besonders jenen, die in ihrer täglichen Arbeit mit Sprache zu tun haben, dass die Vielfalt der deutschen Sprache und Schreibweisen ohne Duden nicht zu beherrschen ist.

Anarchie und Willkür

Duden wird 125 Jahre
Faksimile des 1880 erschienenen 'Ur-Dudens'Bild: Duden

Vor 126 Jahren, am 7. Juli 1880, erschien das "Vollständige Orthographische Wörterbuch der deutschen Sprache", verfasst vom Direktor eines Gymnasiums im hessischen Bad Hersfeld, Dr. Konrad Alexander Duden. Im gleichen Jahr wurde Dudens Werk vom Königreich Preußen zur verbindlichen Grundlage der amtlichen Orthographie erklärt und ging als Ur-Duden in die Geschichte ein. Dieser Erfolg war keineswegs selbstverständlich, denn natürlich hatte das Werk viele Kritiker, auch prominente. Der Dichter Wilhelm Raabe fühlte sich durch die festgelegten Regeln gegängelt und auch Reichskanzler Otto von Bismarck lehnte das Werk ab.

Geradezu anarchische Uneinheitlichkeit in der Rechtschreibung hatte damals zur Entstehung des Dudens geführt. Beinahe jedes Amt, jede Schule und jede Zeitungsredaktion besaß eigene Schreibregeln. Eine Zeit orthografischer Willkür und Verwirrung. Es herrschte ein Zustand, den wir uns heute kaum vorstellen können und der vielleicht durch eine ministerielle Verfügung Preußens aus den 1860er Jahren deutlich wird, die forderte, doch zumindest an ein und derselben Schule die gleiche Rechtschreibung zu unterrichten.

Regeln für den gesamten deutschen Sprachraum

Konrad Duden
Konrad Duden (1829-1911)Bild: dpa Bilderdienste

Konrad Duden, ein engagierter Pädagoge, der zum Beispiel mit einem Bildungsverein versuchte, auch Kindern mittelloser Eltern eine solide Ausbildung zu verschaffen, bemühte sich um Vereinheitlichung. Die deutsche Sprache sollte klarer und verständlicher werden. Das gleiche Motiv, das auch die heutigen Reformer treibt. Konrad Duden ging pragmatisch vor. Er untersuchte schriftliche Werke statistisch. Die Schreibweise eines Wortes, die sich am häufigsten fand, wurde als mustergültig in sein Werk aufgenommen, ein ausgesprochen demokratisches Verfahren.

Durch Beschlüsse der "Orthografischen Konferenz" 1901 in Berlin, auf der Duden mitreden durfte, wurden Regeln bestimmt, die für den gesamten deutschen Sprachraum galten, somit also auch für Österreich und die Schweiz. Der Duden hatte sich vollends durchgesetzt und überstand sogar die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts inklusive der Aufteilung in zwei deutsche Staaten. Die zwei Duden-Verlage in Ost und West vermieden Konfrontationen und Abweichungen.

Reform und Streit

Nach dem Mauerfall erschien 1991 die 20. Auflage des Orthografie-Werkes, der so genannte Einheitsduden. Dann setzten die Jahre der Reformen und großen Auseinandersetzungen über dasein, was künftig als korrekt gelten sollte. 1996 beschlossen die Länder im deutschsprachigen Raum die Änderung. Seit 1998, nach einem entsprechenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes, galt das Regelwerk für Schulen und die öffentliche Verwaltung.

Allerdings gab es eine Schon- und Übergangsfrist bis zum Juli 2005. Einige Zeitungen und Verlage wehrten sich weiterhin, die neue Rechtschreibung zu verwenden und auch Bayern und Nordrhein-Westfalen wollten das ganze erst akzeptieren, wenn ein Expertengremium, der so genannte Sprachrat, die Sprachregeln überarbeitet hat. Jetzt ist es soweit. Die Rechtschreibung wurde abermals reformiert, ein neuer Duden steht in den Buchläden. Gestritten aber wird mit Sicherheit weiter.