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Warum Näherinnen von Adidas-Kleidung um ihr Geld kämpfen müssen

Katrin Jäger 30. Mai 2006

Den Rekordgewinn von 390 Millionen Euro im vergangenen Jahr wird Adidas im WM-Jahr 2006 wohl toppen. Die Näherinnen der Sportbekleidung in den Zulieferfirmen haben davon nichts: Von ihren Löhnen können sie kaum leben.

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Image ist alles: Pressefoto von AdidasBild: presse/adidas
Produktion von adidas-Sportbekleidung in China
Produktion von Adidas-Kleidung in ChinaBild: picture-alliance / dpa

Der Betrieb Hermosa im Norden von El Salvadors Hauptstadt San Salvador nähte bis vor kurzem Sportbekleidung, unter anderem für Adidas. Die Arbeiterinnen fordern nun das, was ihnen zusteht. Seit Jahren zahlte der Werksleiter ihnen die exzessiven Überstunden nicht, zog den Arbeitnehmeranteil zur Kranken- und Rentenversicherung zwar vom Lohn ab, steckte aber das Geld in die eigene Tasche. Das wollten die Frauen nicht weiter hinnehmen und gründeten eine Gewerkschaft. Daraufhin verloren sie ihren Job, das Werk schloss. Der Chef lässt nun in einer anderen Firma produzieren, ohne Gewerkschaft.

Adidas fühlt sich nicht verantwortlich

Die gefeuerte Arbeitersprecherin Estela Ramirez, steht jetzt völlig mittellos da. Mit ihrer Tochter und Enkelin teilt sie sich eine kleine Wohnung, die Miete kann sie trotzdem nicht zahlen. Ramirez pocht weiter auf ihr Recht. "Die Firma schuldet noch die Zahlung von Überstunden. Die haben wir schon im vergangenen Jahr geleistet. Wann werden wir endlich das Geld dafür sehen?", fragt Ramirez. Auch der Jahresurlaub sei noch nicht bezahlt worden. "Wir haben für die Marken Adidas und Reebok gearbeitet. Das sind gut zahlende Marken. Wo ist das ganze Geld geblieben?"

Die Arbeiterinnen fordern von Adidas, ihnen die ausstehenden Gelder zu zahlen. Die Unternehmensleitung von Adidas in Deutschland sieht dazu keinen Anlass. Schließlich habe man keine direkte Verantwortung für die Missstände in dem Fertigungsbetrieb, erklärt der Direktor für Umwelt und Soziales, Frank Henke. "Aber, wir haben uns sehr erfolgreich und maßgeblich bei der Regierung von El Salvador eingesetzt, nachhaltige Verbesserungen einzuführen", sagt Henke. "Beispielsweise von Mitte April dieses Jahres übernehmen die Sozialversicherungsbehörden rückwirkend die Kosten der Krankenversicherung für alle Beschäftigten des Betriebes einschließlich ihrer Familien, bis diese Beschäftigten eine Neueinstellung erfahren haben."

Gewerkschaftsmitglieder unerwünscht

Dies werde aber wohl nicht passieren, vermutet Reingard Zimmer. Die Juristin aus Deutschland engagiert sich bei der internationalen Kampagne für saubere Kleidung. Diese Organisation setzt sich für die Rechte der Arbeiterinnen in den Adidas Zulieferbetrieben ein. Frauen, die sich kritisch äußern oder sich wie Estela Ramirez sogar gewerkschaftlich organisieren, bekommen in der Branche keinen Job mehr. Das sei ein ungeschriebenes Gesetz in nahezu allen Fabriken, die für Adidas fertigen. Die meisten davon liegen in Asien: China, Indonesien, Taiwan und Pakistan beispielsweise, aber auch in Brasilien und in der Türkei.

"Dass Gewerkschaftsmitglieder entlassen werden, das kann man weltweit so festhalten. Dass die Frauen nicht von dem Lohn leben können, ist auch weltweit so", erklärt Zimmer. Unterschiede gebe es etwa bei Regelungen zu Überstunden oder dem Transport zum Arbeitsplatz. In manchen Werken werden die Toilettengänge mit der Kamera überwacht, verseuchtes Trinkwasser ausgeschenkt, Urlaube nicht gewährt oder Schwangere entlassen, erklärt Reingard Zimmer.

Keine nachvollziehbaren Kontrollen

Diese Zustände gibt es, obwohl Adidas nach eigenen Angaben die Zulieferbetriebe regelmäßig kontrolliert. Marina Rios von der Frauenorganisation MAM in El Salvador hat einen anderen Eindruck. "Es gibt keine nachvollziehbare Kontrolle der Arbeitsbedingungen. Dabei gibt es hier Organisationen, die eine solche unabhängige Kontrolle der Fabriken leisten könnten", sagt sie. "Aber in der Praxis finden keine unabhängigen Kontrollen statt, auch nicht bei den Fabriken, die für Adidas produzieren. Da muss noch sehr viel geschehen, bis wir sagen können, dass eine der Fabriken ein Modell für dieses Land sein könnte."

Den Unternehmensstandards von Adidas gemäß soll die Arbeitszeit in den Fertigungsbetrieben sechzig Wochenstunden nicht überschreiten. Vor allem in Stoßzeiten wie jetzt kurz vor der Fußball-Weltmeisterschaft würde diese Regelung aber oft nicht eingehalten, sagt Reingard Zimmer von der Kampagne für saubere Kleidung. Zudem lebe man mit den von Adidas garantierten landesüblichen Mindestlöhnen unter der Armutsgrenze. "Maßgeblich ist ja, was die Beschäftigten in dem jeweiligen Land dafür kaufen können und ob sie von den Löhnen leben können - und das können sie in der Regel nicht."

Die Kampagne für saubere Kleidung fordert deshalb von Adidas, den Arbeiterinnen höhere Löhne zu zahlen. Das Dreifache des jetzigen Mindestlohns würde einen einigermaßen akzeptablen Lebensstandard garantieren. Bei Adidas sieht man da keinen Handlungsbedarf, obwohl die Gewinne derzeit auf Rekordniveau liegen. Das Unternehmen gibt enorme Summen für Werbung und Sponsoring aus, der Einzelhandel schöpft rund die Hälfte des Verkaufspreises ab. Doch die Näherinnen in El Salvador und in den anderen Zulieferbetrieben Welt weit werden wohl auch im WM Jahr weiter für Hungerlöhne im Akkord produzieren müssen.