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Interview: "Ein Signal an die arabische Welt"

Das Gespräch führte Tarek Anegay18. Mai 2006

Libyens Staatschef Gaddafi - erst Schurke, jetzt Partner. Kann auch der iranische Staatspräsident Ahmadinedschad bald zum Freund der USA werden? Ein Interview mit dem Friedensforscher Hans-Joachim Gießmann.

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Experte für Terrorismus und Sicherheitspolitik: Friedensforscher Hans-Joachim GießmannBild: picture-alliance/dpa

DW-World: Die USA wollen ihre Beziehung zu Libyen normalisieren und diplomatische Beziehungen aufnehmen. Ist dieser Schritt der Amerikaner als eine Belohnung für Libyen zu verstehen?

Hans-Joachim Gießmann: Ich denke schon. Man kann von einer Belohnung insofern sprechen, als dass der libysche Staatschef Muammar al Gaddafi ja 2004 erklärt hat, dass das Land nicht weiter nach Atomwaffen streben werde und außerdem in den bilateralen Beziehungen nach 24-jähriger Unterbrechung wieder eine Normalisierung erreichen wolle. Andererseits denke ich aber auch, dass die Herausnahme Libyens aus der Anti-Terror Liste eine aktuellere Bedeutung hat. Gegenwärtig gibt es ja einen heftigen Streit zwischen den USA und dem Iran über das Atomprogramm. Der Iran wird ja dringend verdächtigt, den Terror zu unterstützen, so heißt es jedenfalls in der nationalen Sicherheitsstrategie der USA. Und Libyen jetzt von der Terrorliste zu streichen und die völlige Normalisierung der Beziehungen anzukündigen, ist meines Erachtens ein Signal an die arabische und islamische Welt.

Man könnte also annehmen, dass es eine gewisse Parallelität zwischen Iran und Libyen gibt, was die Bemühungen der Amerikaner angeht. Könnte es passieren, dass der Iran, genauso wie Libyen, den Amerikanern entgegenkommt?

Das glaube ich eher nicht. Die Signalwirkung ist natürlich eine doppelte. Zum einen geht es um jene Staaten, die der iranische Präsident Ahmadinedschad gegenwärtig um sich zu scharen versucht, um politische Unterstützung für seine Position zu bekommen. Andererseits ist das aber auch ein Signal nach Teheran, dass die

Normalisierung von Beziehungen zu arabischen und islamischen Ländern durchaus möglich ist. Also es ist sozusagen die vorsichtige Öffnung eines

Fensters auch in die Richtung Teheran. Ich glaube aber nicht, dass es die erhoffte politische Wirkung in Teheran erzielen wird.

Liegt das am iranischen Regime oder am amerikanischen Angebot?

Also die neue Sicherheitsstrategie vom März ist in dem Punkt eindeutig. Sie sagt nämlich, dass das iranische Atomproblem gar nicht im Zentrum der Sorgen der USA stünde. Sondern dass es darum geht, das politische System zu verändern, also einen Regimewechsel zu erreichen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es auf dieser Grundlage wirklich eine Plattform mit dem Iran geben wird - zumal ja auch die USA bisher alle bilateralen Gespräche mit Teheran ablehnen.

Eine letzte Frage bezüglich Libyen. Die Normalisierung der amerikanischen Beziehungen mit einem nichtdemokratischen Land wie Libyen birgt doch ein gewisses Paradox.

Ja - das sehe ich genauso. Das ist ein doppelter Standard, der hier angewendet wird und der neben dem politischen auch ein wirtschaftliches Motiv hat. Mit dem Iran gibt es ja seit 1979 keine wirtschaftlichen Beziehungen mehr. Die USA können also dort keine wirtschaftlichen Interessen mehr realisieren. In Libyen sieht das anders aus. Ende vergangenen Jahres haben die ersten beiden Ölfirmen der Vereinigten Staaten angekündigt, neu zu investieren. Libyen ist ein attraktiver Rohstoffpartner für die USA, nicht zuletzt in Anbetracht der Entwicklung der Weltmarktpreise auf dem Rohölmarkt. Ich denke, auch das spielt eine Rolle. Das heißt, ein Land, das bereit ist, mit den USA normal zu kooperieren und das wirtschaftliche Vorteile verspricht, das kann aus dem Blickwinkel Washigtons auch ein undemokratisches Land sein.

Hans Joachim Gießmann (Jahrgang 1955), hat Amerikanistik, Philosophie und Geschichte in Berlin und Leipzig studiert.1987 habilitierte er zum Dr. sc. pol. 1989/1990 saß er mit am "Runden Tisch", danach arbeitete er als Referent in der Volkskammer und im Deutschen Bundestag. Seit 1991 ist er am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. Seit 2000 leitet er das Institut. Gießmann forscht in den Bereichen Sicherheitskonzepte, Europäische Sicherheitspolitik, Interregionale Zusammenarbeit und Terrorismus.