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„In Bezug auf Andischan hat sich die Welt geteilt“

11. Mai 2006

Im Interview mit DW-RADIO spricht Zentralasien-Experte Uwe Halbach über die Folgen der Ereignisse von Andischan für die internationale Außenpolitik, die Bedeutung Usbekistans und die Sonderrolle Deutschlands.

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Bild: DW

Uwe Halbach ist Mitglied der Forschungsgruppe „Russland/GUS“ bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Sein Arbeitsschwerpunkt sind die zentralasiatischen Republiken und der Kaukasus.

DW-RADIO/Russisch: Nach den Ereignissen in Andischan im vergangenen Jahr hat die EU ihre Beziehungen zu Usbekistan weitgehend abgebrochen. Welcher Spielraum bleibt?

Uwe Halbach: Der Spielraum hat sich deutlich verengt, das gilt generell für die westliche Zentralasien-Politik. Auch die Beziehungen zwischen Usbekistan und den USA, die ja zuvor strategische Beziehungen waren, sind weitgehend eingebrochen, so dass die Frage in der Tat berechtigt ist: Was haben westliche Akteure überhaupt noch für Kanäle nach Usbekistan? Insgesamt hat es in Zentralasien eine Verschiebung der geopolitischen, der außenpolitischen Koordinaten gegeben – in dem Sinne, dass Russland und China nach Andischan deutliche Geländegewinne gemacht haben, während westliche Akteure, vor allem amerikanische Akteure, aus der Sicherheitspolitik in Zentralasien eher herausgedrängt worden sind.

Sehen Sie das Verhalten der EU im Rückblick als Fehler?

„Es ist in der Diplomatie oft gefragt worden, ob die Reaktion der EU gegenüber Usbekistan möglicherweise zu heftig war. Es gab von usbekischer Seite vor allem eine Beschwerde gegenüber europäischen Reaktionen auf Andischan: Nämlich die Beschwerde, sie seien zu voreilig gewesen, sie seien aus der Distanz gewesen, ohne wirkliche Prüfung der Umstände vor Ort, und man habe zu sehr den Faktor friedlicher Demonstrationen betont. Der entscheidende Punkt war jedoch der, dass die westlichen politischen Institutionen, die EU, die Vereinigten Staaten, die OSZE, UN-Gremien, verlangt haben, dass Usbekistan eine unabhängige, internationale Untersuchung akzeptiert. Und dagegen hat Usbekistan sich kategorisch gesperrt, das hat es als einen Eingriff in seine Souveränität dargestellt. Mit diesem sehr konservativen Souveränitätsbegriff hat es deutlich Unterstützung durch Russland und China bekommen, so dass man sagen kann: In Bezug auf Andischan hat sich die Welt wieder einmal geteilt in Staaten, die Usbekistan nachhaltig unterstützen, und in westliche Staaten, die bis heute eine internationale Untersuchung fordern.“

Wie bewerten Sie die Auswirkungen der EU-Sanktionen gegen Usbekistan?

Die EU hat ja wirklich Sanktionen gegen Usbekistan verhängt, zumindest für die Dauer eines Jahres: Sie hat ein Einreiseverbot gegen zwölf hohe Regierungsvertreter, Vertreter auch der lokalen Gewalt ausgesprochen, die mit Andischan in Verbindung gebracht wurden, sie hat Unterstützungsprogramme gestrichen bzw. verlagert von der Regierung auf Nichtregierungsorganisationen. Das war in der Konsequenz noch schärfer als die Reaktionen aus den USA. Aber die Frage ist natürlich: was kommt danach? Wie kann man nach solchen Maßnahmen doch noch den Kontakt zu einer Regierung aufrechterhalten, an der man letztlich ja nicht vorbei kommt? Man wird in Usbekistan kaum eine europäische Politik vollkommen an der Regierung vorbei machen können. Die Regierung hat ja das Potenzial, das zu unterbinden, Druck auf Nichtregierungsorganisationen auszuüben, was ja auch geschehen ist in Usbekistan. Und andererseits muss man sagen: Eine europäische Zentralasien-Politik kommt an Usbekistan als Land nicht vorbei, weil Usbekistan wirklich ein Kernland in der Region ist. Anders als etwa Turkmenistan, das sich weitgehend isoliert hat, ist Usbekistan wirklich im geographischen, im demographischen, im historischen Sinne ein Kernland der Region, mehr als jedes andere Land. Auswärtige Zentralasien-Politik kann Usbekistan nicht einfach ausklammern.

Wie könnte denn eine mögliche Wiederannäherung aussehen?

Usbekistan hat sich nicht völlig von Europa zurückgezogen. Es gibt immer noch Kontakte, die vor allem auch über Deutschland laufen. Deutschland wird in Usbekistan als einer der Hauptpartner gesehen. Ein Vorschlag, der von deutscher Seite kam, war ja, das ganze heikle Thema Andischan noch einmal mit einer gewissen Distanz zu den Ereignissen aufzuarbeiten und sich auch die Position der usbekischen Regierung dazu anzuhören. All diese Zugeständnisse können natürlich nicht darauf hinauslaufen, dass man sagt: Wir klammern jetzt menschenrechtspolitische Themen im Dialog mit der usbekischen Regierung aus, weil die usbekische Regierung darauf negativ reagiert. Das kann natürlich nicht die Konsequenz europäischer Politik in diesem Raum sein.

Wie sollte sich Ihrer Meinung nach Deutschland gegenüber Usbekistan verhalten?

Eines ist sicherlich richtig: Es darf auf keinen Fall der Eindruck entstehen, dass das Festhalten an der Basis Termes – das ist ja ein Punkt deutscher Interessen in Usbekistan – maßgeblich und ausschlaggebend ist für deutsche Politik gegenüber Usbekistan; und zwar in dem Sinne, dass man kritische Herangehensweise an Usbekistan vollkommen fallen lässt, um sich diesen Stützpunkt zu bewahren. Dieser Eindruck darf auf keinen Fall entstehen. In dem Zusammenhang muss klar sein, dass man sich durch das Thema Termes von der usbekischen Seite nicht erpressen lassen kann.

Das Interview führte Mikhail Bushuev

DW-RADIO/Russisch, 11.5.2006, Fokus Ost-Südost