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Giuliano Amato ist Favorit bei italienischer Präsidentenwahl

Angela Göpfert7. Mai 2006

Am Montag kürt Italien den Nachfolger von Staatspräsident Ciampi. Nach dem knappen Ausgang der Parlamentswahlen soll der neue Präsident das "geteilte Land" einen. Davon hängt auch die Stabilität der Regierung Prodi ab.

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Prodis Mann für das Präsidentenamt: Giuliano AmatoBild: AP

Als ob die Italiener in den vergangenen Wochen und Monaten nicht schon genug Aufregung gehabt hätten: Nach dem knappen Ausgang der Parlamentswahlen zugunsten des Mitte-Links-Bündnisses "Unione" von Romano Prodi geht die politische Hakelei jetzt in die nächste Runde. Seit der Ankündigung von Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi, für eine zweite Amtszeit nicht zur Verfügung zu stehen, läuft die Suche nach seinem Nachfolger auf Hochtouren. Am Montag (8.5.2006) soll der erste Wahlgang stattfinden. In den ersten drei Wahlgängen ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig.

Zwar steht bislang noch kein Spitzenkandidat für das Amt des Präsidenten fest, der von beiden Parlamentskammern und Vertretern der Regionen gewählt wird. Doch für Prodis Lager kommen vor allem zwei Persönlichkeiten infrage: Massimo D'Alema und Giuliano Amato.

Amato als Kompromisskandidat?

"Mein persönlicher Favorit ist Amato, vor allem wegen seiner Kenntnisse als Staatsrechtler", sagt Roman Maruhn, Italien-Experte am Centrum für angewandte Politikforschung (CAP). Amato verfügt als ehemaliger Präsident des europäischen Verfassungskonvents über internationale Erfahrung und kennt sich als Ex-Ministerpräsident auch mit den Feinheiten des italienischen Politikgeschäfts aus. Als Ministerpräsident engagierte er sich 1992 zu genau dem Zeitpunkt für die Haushaltskonsolidierung, als mit der Aufdeckung der großen Schmiergeldaffären das Ende der ersten Republik eingeläutet wurde.

Zudem ist Amato eher ein Techniker und Verfassungsjurist denn ein politischer Agitator, sodass er als Kompromisskandidat wohl auch für das Rechtslager um den ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi akzeptabel wäre. Die Wahl Amatos wäre ein gutes Zeichen gegen diese aufgeheizte Stimmung aus dem Wahlkampf und gegen den verbreiteten Slogan vom 'geteilten Land'", ist Maruhn überzeugt.

Massimo D'Alema polarisiert

Massimo d'Alema
Ein Präsident D'Alema wäre für das Berlusconi-Lager nicht akzeptabelBild: AP

Was für Amato als Präsidenten spricht, scheint zugleich ein Argument gegen die Kandidatur D'Alemas zu sein. Aufgrund D'Alemas enger Bindung an die sozialistische Partei Democratici di Sinistra (DS) hat Berlusconi bereits mit einem Boykott der Präsidentschaftswahl gedroht, sollte D'Alema als Spitzenkandidat ins Rennen gehen.

Alexander Grasse, Italien-Experte und wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem Forschungsprojekt der Universität Padua, kann sich dagegen durchaus mit dem Gedanken an einen Präsidenten D'Alema anfreunden: "Er war bereits italienischer Ministerpräsident, hat sich als recht moderat erwiesen und vermag zu vermitteln, was er unter anderem in der Verfassungskommission 1997/98 bereits unter Beweis gestellt hat. Nicht zufällig ist er auch als zukünftiger Außenminister im Gespräch."

"Eine Integrationsfigur für alle Italiener"

Die Diskussionen um den künftigen Staatspräsidenten verdeutlichen die politische Macht, die mit diesem Amt assoziiert wird. Mit Beginn der zweiten Republik haben die italienischen Präsidenten einen erheblichen Bedeutungszuwachs erfahren. Seither griffen sie oft korrigierend ins tagespolitische Geschehen ein. So protestierte Carlo Azeglio Ciampi gegen die Justizreform und ein umstrittenes Mediengesetz der Berlusconi-Regierung, indem er seine Unterschrift verweigerte.

Darüber hinaus hat der Presidente della Repubblica eine starke Symbolkraft: "Er ist Garant der Republik und ihrer Institutionen, er muss eine Integrationsfigur für alle Italiener sein", so Politikwissenschaftler Grasse. "Er soll die Einheit des Landes repräsentieren", betont auch Maruhn.

Prodi und Berlusconi auf dem Weg zur Einigung?

Romano Prodi und Silvio Berlusconi
Prodi und Berlusconi bezeichneten Gespräche als "sehr freundschaftlich"Bild: AP

Damit hat der neue Präsident wie schon seine Vorgänger eine große Aufgabe vor sich: Schließlich ist Italien zumindest an den Randlagen sehr heterogen, starke regionale Identitäten und nicht zuletzt der Nord-Süd-Konflikt erschweren den symbolischen wie praktischen Zusammenhalt der Republik.

Hoffnung geben in diesem Zusammenhang die Äußerungen von Prodi und Berlusconi, ein Gespräch über die Ciampi-Nachfolge am Donnerstag (4.5.2006) sei "sehr freundschaftlich" verlaufen. Käme es aber zu einer Kampfabstimmung, bei der der designierte Ministerpräsident Prodi seinen Favoriten durchsetzt, befürchtet Grasse harte Auseinandersetzungen und eine weitere Polarisierung: "Das würde Berlusconi und seinem Politikstil der maximalen Vetopolitik perfekt in die Hände spielen."

Prodi muss für Disziplin sorgen

Der neue Präsident wird den Wahlsieger Prodi beauftragen, das 61. Nachkriegskabinett zu bilden. Und damit könnten für Prodi die Schwierigkeiten erst beginnen. Denn er muss in seinem Bündnis die unterschiedlichsten Parteien integrieren - von Linkskatholiken bis hin zu Post-Kommunisten. Zudem haben die Parteien der "Unione" gleich mehrere charismatische Führungsfiguren in ihren Reihen, die nicht immer leicht zu kontrollieren sind. So ist Prodi auf die Loyalität des Kommunistenchefs Fausto Bertinotti angewiesen, der Prodi in seiner ersten Amtszeit stürzte und der jetzt als Parlamentspräsident das dritthöchste Amt in Italien bekleidet.

Alexander Grasse
Italien-Experte Alexander Grasse

Angesichts dieser Parteien- und Personenkonstellation gibt Italien-Experte Grasse der neuen Regierung eigentlich nicht mehr als zwei Jahre. Allerdings warnt er auch davor, Prodis Regierung vorzeitig abzuschreiben. "Mitte-Links könnte durchaus länger regieren. Möglicherweise mit mehreren Kabinettsumbildungen und Regierungskrisen, aber das wäre für italienische Verhältnisse im Bereich des Normalen. Wichtig ist, dass das Mitte-Links-Bündnis eine große politische Linie erkennen lässt und beibehält."

Kommunalwahlen als erster Test

Die Kommunalwahlen Ende Mai aber auch die für Ende Juni anstehende Volksabstimmung über grundlegende Verfassungsänderungen dürften somit zum ersten Lackmustest für die Stabilität der neuen Regierung werden, die sich auch inhaltlich zahlreichen Herausforderungen gegenübersieht: Steuern, Finanzen, Wirtschaft sind dabei sicherlich die Hauptthemen. Doch es geht auch um eine Neudefinition der Außenpolitik, ist Italien-Experte Maruhn überzeugt: "Prodi wird mehr Gewicht auf Europa legen und versuchen, Italien aus der isolationistischen Position herauszuziehen, in die Berlusconi Italien manövriert hat."