1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Stichwort: Die brasilianisch-deutschen Beziehungen

Geraldo Hofmann 28. April 2006

Besonders im Energiesektor arbeiten Brasilien und Deutschland eng zusammen. Neben wirtschaftlichen werden bei Steinmeiers Besuch auch zahlreiche politische Themen auf der Tagesordnung stehen.

https://p.dw.com/p/8K8Y
Die bilateralen Beziehungen sind weitgehend harmonischBild: Geraldo Hoffman

Das Team von Brasilien
Freunde: Brasiliens NationalmannschaftBild: dpa

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier wird in Brasilien von einer 15-köpfigen Wirtschaftsdelegation aus den Bereichen Technologie, Energie und Umwelt begleitet. Zwar haben im vergangenen Jahr rund 1200 deutsche Firmen 21,7 Milliarden US-Dollar in Brasilien investiert, die Regierung in Brasilia erhofft sich aber noch mehr Engagement vom deutschen Kapital. Für 2006 sind in Brasilien internationale Ausschreibungen für den Bau von zehn Wasserkraftwerken im Wert von 9,4 Milliarden US-Dollar sowie für die Modernisierung und Privatisierung von 3080 Autobahnkilometer (Investitionsvolumen: 3,1 Milliarden US-Dollar) geplant. Einige dieser Projekte sollen in so genannten Public Private Partnerships (PPP) realisiert werden, also mit Beteiligung der öffentlichen Kassen des Landes.

Gerade im Energiesektor, wo Brasilianer und Deutsche spätestens seit dem Nuklearabkommen von 1975 eng zusammenarbeiten, ist in Brasilien vieles in Bewegung. Das Land hat sich von den weltweiten Erdölimporten unabhängig erklärt und will bis zum Jahr 2010 sogar Erdöl exportieren. Außerdem fördert es stark die erneuerbaren Energien – wo deutsche Technologie gefragt ist – und möchte Ethanol aus Zuckerrohr für den europäischen Automarkt liefern.

Internationale Themen

Laut Informationen des brasilianischen Außenministeriums wird Steinmeier eine Reihe von politischen Fragen mit Lula und Amorim erörtern. Dazu gehören neben bilateralen auch multilaterale Themen wie etwa das Streben beider Länder nach einem ständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat (im Rahmen der G-4), der Nuklear-Konflikt mit dem Iran und der Friedensprozess im Nahen Osten. Auf regionaler Ebene wollen Brasilien und Deutschland die Möglichkeit einer Zusammenarbeit zur Lösung der Krise auf Haiti ausloten, so ein Sprecher in Brasilia.

Dass Amorim auch über den Irankonflikt reden möchte, klingt etwas pikant, zumal Brasilien selbst vor ein paar Tagen mit dem Anreichern von Uran begonnen hat. Weil das Land als harmlos gilt, hegt die Staatengemeinschaft aber kein Misstrauen. Brasilien verfügt über die sechstgrößten Uranreserven der Welt, doch bisher musste das Material zur Anreicherung nach Europa gebracht und reimportiert werden.

Gipfel von Wien und fair play bei der WTO

Brasilia Brücke
Reiseziel BrasiliaBild: AP

Ein zentrales Thema der Gespräche in Brasília wird die Vorbereitung des EU-Lateinamerika-Gipfels vom 11. bis 13. Mai in Wien sein. Dort stehen dann Verhandlungen über den für Juli geplanten Abschluss der Doha-Runde der Welthandelsorganisation im Mittelpunkt. Am Rande des Gipfels könnte es zu einem Treffen Lulas mit Bundeskanzlerin Angela Merkel kommen.

Auch wenn es in den bilateralen Beziehungen harmonisch zugeht, beim Thema Welthandel driften die Meinungen zwischen Berlin und Brasilia auseinander. Die deutsche Regierung – wie die EU insgesamt – drängt auf eine Öffnung des brasilianischen Marktes für Industriegüter und Dienstleistungen. Die Brasilianer als Anführer der G-20-Länder pochen auf den Abbau der Agrarsubventionen der EU und verlangen einen besseren Zugang für ihre landwirtschaftlichen Produkte auf dem europäischen Markt. Brasilien ist der wichtigste Handelspartner der EU in Lateinamerika. 2005 hat das Land Produkte im Wert von 26,5 Milliarden US-Dollar nach Europa exportiert (davon 5 Milliarden US-Dollar nach Deutschland). Die Importe aus der EU betrugen 18,2 Milliarden US-Dollar (deutsche Produkte allein im Wert von 6,1 Milliarden US-Dollar).

Steinmeier als willkommene Ablenkung

Luiz Inacio Lula da Silva
Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da SilvaBild: AP

Lula hat bereits die "technischen Verhandlungen" der Doha-Runde für beendet erklärt. Er erwarte jetzt politische Entscheidungen von europäischen Staats- und Regierungschefs, so der Präsident. Für ihn stellen der Besuch Steinmeiers und der darauf folgende Gipfel in Wien eine willkommene Gelegenheit dar, von internen politischen Problemen abzulenken. Vier Tage nach dem Rückflug Steinmeiers nach Deutschland wird der brasilianische Verband der Rechtsanwälte (OAB) am 8. Mai entscheiden, ob ein Verfahren zum Empeachment von Lula in Gang gesetzt wird. Grund: Nach einer Reihe von Korruptionsskandalen wirft die Bundesstaatsanwaltschaft der Regierung des einstigen Gewerkschaftsführers die Bildung einer "kriminellen Bande" zum Machterhalt vor. Da 38 Prozent der Bevölkerung weiterhin Lula unterstützen, glaubt aber kaum jemand, dass man ihn so leicht aus dem Amt jagen wird. Im Gegenteil: Nach aktuellen Umfragen könnte ihm bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober sogar die Wiederwahl gelingen. Ein Titelgewinn Brasiliens bei der Fußball-WM in Deutschland könnte ihm dabei helfen. Obwohl Wirtschaftsminister Luiz Fernando Furlan in Sachen WM in eine andere Richtung denkt: "Wer weiß, wenn die Deutschen die WM gewinnen, dann machen sie Zugeständnisse bei den WTO-Verhandlungen".