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Der erste 9-11-Blockbuster

27. April 2006

Fünf Jahre ist es her. Nun bringt Hollywood die Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA auf die Leinwand und provoziert eine Debatte: Ist es zu früh, mit der nationalen Tragödie Geld zu verdienen?

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"United 93" - beklemmende Bilder: Die Passagiere beraten ihre Vorgehensweise gegen die KidnapperBild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Die Revolte der Flugpassagiere ist rasch geplant. "Wir sind viele, wir müssen etwas tun", sagt einer von ihnen. Ein anderer befiehlt einer Stewardess, "alles zu besorgen, was wir als Waffe benutzen können". Kurz darauf überwältigen die Passagiere im Gang zwei der Hijacker und rammen mit einem Getränkewagen die Tür zum Cockpit ein. Den "Allah ist der Größte!" brüllenden Terroristen am Steuer können sie aber nicht mehr rechtzeitig niederkämpfen. Die Maschine stürzt ab. Die Leinwand wird schwarz.

"United 93" ist der erste große Spielfilm über den 11. September. Er hatte am Dienstag (25.4.2006) Premiere beim Tribeca-Filmfest in New York Premiere und kommt am Freitag in die US-Kinos. Der Start in Deutschland ist für den 31. August geplant. Schon jetzt wird um ihn gestritten. Viele meinen, es sei noch zu früh, um Action-Kino aus der nationalen Tragödie zu machen.

Die grundsätzliche Frage

Der britische Regisseur Paul Greengrass will seinen Film als Beitrag zur politischen Debatte verstanden wissen. Die Passagiere des auf einem Feld in Pennsylvania abgestürzten Fluges verkörperten das "schreckliche Dilemma", mit dem sich die westliche Welt seit 9/11 konfrontiert sehe: "Bleiben wir passiv und hoffen, dass alles okay wird? Oder erwidern wir den Kampf und schlagen sie, bevor sie uns schlagen? Und wenn wir das tun, was sind dann die Folgen?"

"Sie werden dieses Flugzeug nicht landen"

In ihre schreckliche Entscheidungssituation wurden die Passagiere des United-Airline-Fluges 93 durch einen banalen Zufall gebracht: Ihr Abflug hatte sich 45 Minuten verspätet. Als Folge waren dann die übrigen drei gekaperten Maschinen bereits in das World-Trade-Center und das Pentagon gerast, während das vierte Flugzeug sich seinem Anschlagsziel - vermutlich das Capitol in Washington - noch nicht genähert hatte. Die Fluggäste erfuhren über Handy von den anderen Attacken - und begriffen, dass auch sie in die Hände eines Selbstmordkommandos gefallen waren. "Sie werden dieses Flugzeug nicht landen", raunt der Passagier Thomas Burnett in dem Film, bevor er die Revolte zu organisieren beginnt.

Neue Akzente im Katastrophenfilm

Greengrass bemüht sich um größtmögliche Authentizität. Dazu holte er sich die Zustimmung von den Verwandten aller 33 Passagiere und sieben Crew-Mitglieder zu seinem Projekt ein und arbeitete mit ihnen zusammen. Und er rekrutierte mehrere Schauspieler, die für ihre Rollen aus eigener Erfahrung schöpfen konnten. Der Flugkapitän des Films ist auch im wirklichen Leben United-Pilot. Ben Sliney, der am 11. September als oberster ziviler US-Flugkontrolleur entschied, den gesamten Flugraum des Landes zu schließen, spielt in dem Film sich selbst.

Die bis in die Kleidung der Passagiere und das Interieur der Maschine reichende Detailgenauigkeit, ebenso wie die improvisierten Dialoge und der Einsatz der Handkamera verleihen dem Film einen quasi-dokumentarischen Charakter. Besonders in den Schlussminuten aber setzt verstärkt die Fiktion ein. Denn trotz der vielen erhaltenen Materialien - darunter das erst kürzlich im Prozess gegen den Franzosen Zacarias Moussaoui vorgespielte Tonband aus dem Cockpit - ist der genaue Ablauf des Kampfes an Bord nicht bekannt. So ist etwa unklar, ob es den Passagieren tatsächlich gelang, das Cockpit zu stürmen.

Den Kritikern des Films geht es aber nicht um solche Detailfragen. Sie halten einen Hollywood-Thriller über die nationale Tragödie für grundsätzlich pietätlos. "Zu früh!" riefen Kinobesucher in Hollywood, als dort die Vorschau auf "United 93" gezeigt wurde. In einem New Yorker Kino wurde der Trailer sogar aus dem Verkehr gezogen, weil sich Zuschauer beschwert hatten. Die Resonanz der Hinterbliebenen ist dagegen positiv. "Es ist nie zu früh, sich an das schreckliche Verbrechen zu erinnern, das an unserem Land begangen wurde", sagte Gordon Felt, dessen Bruder in der UA-93-Maschine saß, der Zeitung "Los Angeles Times".

Beliebtes Sujet

Die Kontroverse wird jedenfalls nicht verhindern, dass eine ganze Welle von 9/11-Filmen auf das Publikum zukommt. Allein beim Tribeca-Filmfest stehen ein Dutzend Features und Kurzfilme zu dem Thema auf dem Programm. Im Sommer kommt dann Oliver Stones "'World Trade Center" mit Nicolas Cage in die Kinos. Später folgen soll unter anderem "102 Minutes", eine auf Recherchen der "New York Times" basierende Rekonstruktion der Anschläge in New York. (kas)