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Potenziale des Podcasting

6. April 2006

Das Podcast-Angebot hat sich rasant entwickelt, doch viele Potenziale sind noch ungenutzt. In Deutschland befasst sich nun erstmals ein Kongress mit dem Thema.

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Sehr selten: Weibliche Podcast-UserBild: AP

Die Szene ist rege, das Angebot kaum noch überschaubar: Rund 2000 Podcaster stellen derzeit selbst produzierte Sendungen ins Internet, die von den Nutzern auf MP3-Spieler geladen und später angehört werden können. Ob Wissenschaft, Religion, Literatur, Sex, Comedy - zu nahezu jedem Thema, so scheint es, kann man inzwischen kostenlose Beiträge schwankender Qualität hören.

Viele springen auf den Zug

Angesichts der rasanten Entwicklung des Podcasting, das erst vor rund zwei Jahren in den USA aufkam, entschied sich der Verband der deutschen Internetwirtschaft, einen Podcast-Kongress zu organisieren, der am Freitag (7.4.2006) in München stattfinden wird. Die Resonanz überraschte selbst die Veranstalter: Mit 100 Teilnehmern hatten sie gerechnet, doch rund 300 meldeten sich an - rund die Hälfte erhielt deshalb eine Absage.

Das Publikum sei stark gemischt, sagt Marc C. Schmidt, Organisator des Kongresses. So kämen private Podcaster ebenso wie Vertreter von Marketingabteilungen in Unternehmen. Denn neben ambitionierten Hobby-Funkern interessieren sich auch immer mehr Firmen für den neuen Informationskanal. Private und öffentlich-rechtliche Rundfunksender, darunter auch die Deutsche Welle, bieten längst Teile ihres Programms zum Download an. Auch Verlage sind auf den Zug aufgesprungen: Auto-Bild, die Financial Times Deutschland und andere locken mit gesprochenen Beiträgen im Internet. "Weil die klassischen Medien an Zuspruch verlieren, ist es für die Verlage spannend, mit neuen Formaten zu experimentieren", glaubt Schmidt.

Musik von Mercedes

"Bei Unternehmen kommen Podcasts bisher nur im externen Bereich zum Einsatz, also um Kunden zu informieren", sagt Schmidt. So bieten etwa der Software-Hersteller Symantec und das Internet-Auktionshaus Ebay akustische Informationen an; auf der Website von Mercedes Benz können die User alle zwei Wochen eine Auswahl moderierter Musik herunterladen. "Die Angebote sind noch spärlich; das setzt erst langsam ein", sagt Schmidt. Firmenintern werde das Podcasting noch gar nicht genutzt - dabei könnte man so beispielsweise Außendienstmitarbeiter während der Autofahrt mit Vertriebsargumenten oder Marktinformationen versorgen.

"Podcasting aus Unternehmenssicht" wird ebenso wie mögliche Geschäftsmodelle Thema auf dem Kongress sein. An Privatleute richten sich Veranstaltungen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und zur Produktion der Sendungen. Während des Kongresses soll erstmals auch ein Preis für herausragende Programme verliehen werden: Bei den Podcast Awards sind in vier Kategorien jeweils drei Kandidaten nominiert. Allein in der Kategorie Kultur musste die Jury des Podcastclubs eine Auswahl aus mehr als hundert Vorschlägen treffen. "Bislang haben wir nur private Podcaster einbezogen", sagt das Jury-Mitglied Nicole Grau. Im kommenden Jahr würden kommerzielle Angebote und Video-Podcasts, kurz Vodcasts genannt, hinzukommen.

Die Revolution blieb aus

"Der erste Kerngedanke war, dass man das Radio revolutionieren könnte", sagt der Münchener Marketing-Experte Alexander Wunschel. "Davon muss man sich wohl verabschieden." Erfolgreiche Formate entsprächen weitgehend dem, was der Rundfunk schon seit Jahrzehnten anbiete, seien es gut recherchierte Berichte oder intelligente Comedy. "Die eigentliche Neuerung besteht darin, dass das Podcasting das Zeitdiktat der klassischen Medienkanäle durchbricht - es ist ein zeit- und ortsunabhängiger Konsum möglich", erklärt Wunschel. Dadurch eröffneten sich neue Geschäftsmodelle: So ließen sich beispielsweise Audio-Stadtführungen über mehrere Jahre vertreiben, ebenso Lern- oder Trainingsprogramme.

Um kostenlose Angebote über Werbung zu finanzieren, könne man mehrere Podcasts mit großer Reichweite bündeln und gemeinsam vermarkten. Derzeit sind die Reichweiten jedoch noch überschaubar. Eines der erfolgreichsten Angebote ist "Schlaflos in München" von Annik Rubens. "Sie hat mit ihren Audiotagebüchern ein eigenes Medienformat etabliert", sagt Wunschel. Doch auch die charmante Journalistin kommt nur auf rund 8000 Downloads am Tag. Erfolgreiche professionelle Angebote wie Tagesschau oder RTL bewegten sich im fünfstelligen Bereich, sagt Wunschel, der mit "Pimp my Brain" selbst einen Podcast-Kanal zum Thema Marketing produziert.

Während das Angebot an Kanälen immer größer wird, ist die Nachfrage noch vergleichsweise gering: Hochrechnungen zufolge wurden im Januar in Deutschland rund drei Millionen Podcast-Episoden von 300.000 bis 500.000 Personen heruntergeladen. Der typische Hörer, so ergab eine Umfrage von Wunschel unter 2350 Nutzern, ist knapp unter 30, männlich und gebildet. "Podcasting wird über eine lange Zeit ein Medium für solvente Technophile bleiben", glaubt Wunschel. "Denn einen iPod für 300 Euro können sich viele nicht leisten." (stu)