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Für öffentliches Wasser

Philipp Krakau / Miriam Gehrke22. März 2006

Die bolivianische Position auf dem Weltwasserforum spiegelt die jüngste Geschichte des Landes - und eine Bewegung, die sich mehr und mehr über ganz Lateinamerika erstreckt.

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Verfolgt eine neue Wasserpolitik: Boliviens Präsident Evo MoralesBild: AP

Während des vierten Weltwasserforums in Mexiko Stadt diskutieren hochrangige Vertreter vieler Staaten, Entwicklungshilfe- und Nicht-Regierungsorganisationen darüber, wie man zukünftig mehr Menschen einen Zugang zu sauberem Wasser gewähren kann. Unter den Delegierten ist einer zum heimlichen Star geworden, den vorher kaum jemand beachtet hat: Der neue bolivianische Wasserminister Abel Mamani.

Der kleine zurückhaltende Mann mit den indianischen Gesichtszügen hat viel zu erzählen, und ist, wo immer er auftritt, von einer Menschentraube umringt. Er ist neu im Amt, denn die Position des Wasserministers existiert erst seit anderthalb Monaten. Sie ist Resultat eines langen Streits im ärmsten Land Südamerikas - und Abbild einer neuen Politik.

Ausverkauf

Bolivien Protestaktion Gaskrieg El Alto Straßenblockade
Blockade gegen die Regierung: Bolivien 2003Bild: AP

Im so genannten Wasserkrieg im April 2000 demonstrierten die Einwohner Cochabambas, der drittgrößten Stadt Boliviens, mit Erfolg gegen die Privatisierung der lokalen Wasserversorgung. In den folgenden Jahren kam es in dem Land immer wieder zu Konflikten zwischen den neo-liberal und USA-freundlich ausgerichteten Regierungen und der indigenen Bevölkerungsmehrheit. Die Ex-Präsidenten Banzer und Sánchez de Lozada verfolgten eine stringente Politik der Privatisierung öffentlicher Güter, wie der Wasser- und der Erdgasversorgung. Vor allem die indianischen Einwohner kämpften dagegen, weil sie dieses als Ausverkauf nationaler Ressourcen betrachteten.

Diese Streitigkeiten führten immer wieder zu Aufständen, Demonstrationen und Straßenblockaden durch die Indianer und dazu, dass der neue bolivianische Präsident Evo Morales schon der sechste amtierende Präsident seit 2000 ist.

Wollpullover gegen die USA

Doch Evo Morales ist anders als seine Vorgänger. Er ist der erste indianischstämmige Staatschef des Andenstaats. Und das genießt er - und lässt keine Gelegenheit aus, seine Wurzeln und die Ansätze der Politik seiner Regierung zur Schau zu stellen. Doch Morales steht für mehr als nur für Auftritte im Ringelpullover aus Lamawolle beim Spanischen König.

Als enger Verbündeter von Hugo Chávez aus Venezuela tritt Morales für eine amerika-kritische Politik der Re-Verstaatlichung von inzwischen privatisierten Betrieben ein. Die öffentliche Versorgung soll wieder in staatliche Hände fallen. Und so hat Morales als eine seiner ersten Amtshandlungen die Position des Wasserministers geschaffen - ein Andenken an frühere Konflikte über das Wasser im Land, und ein Ausdruck der Wichtigkeit, die die neue Regierung der Verstaatlichung und der besseren Versorgung der armen Landbevölkerung beimisst.

Paradigmenwechsel

Also berichtet Minister Mamani, dass man in Bolivien an den Erfolg und die Effizienz von öffentlichen Unternehmen glaube, und dass man entschlossen sei, gegen Korruption und Missmanagement vorzugehen. Und dass man selbst bei der Weltbank damit auf ein offenes Ohr gestoßen sei: "Wir beobachten eine Bereitschaft, uns keine weiteren Steine in den Weg zu legen, und unsere Lösungsansätze zu akzeptieren. Das ist ein Fortschritt. Wir werden mit der Weltbank über unsere Vorschläge sprechen. Man steht unserer Position offen gegenüber."

Um Boliviens neue Politik zu stärken, wird Mamani die Abschlusserklärung des Weltwasserforums am Mittwoch (22.3.2006) nicht unterschreiben: "Sie entspricht nicht der Meinung aller Staaten. Mein Land ist zumindest nicht damit einverstanden. Wir denken, dass vieles verbessert werden muss. Also behalten wir uns vor, das Dokument nicht zu unterzeichnen."

Alternativvorschlag

Stattdessen bringt Bolivien zusammen mit einer Südamerika-Koalition aus Argentinien, Uruguay, Brasilien und Venezuela einen Alternativvorschlag ein. Dieser schreibt unter anderem das Menschenrecht auf Wasser fest und verpflichtet die Unterzeichner, Investitionen in den Wassersektor den Vorrang in den öffentlichen Haushalten einzuräumen. Außerdem fordert er die internationalen Geldgeber auf, die Kreditvergabe für Entwicklungshilfe nicht von der Privatisierung der Wasserversorgung abhängig zu machen, und Wasser zukünftig aus sämtlichen Freihandelsverträgen und den Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) herauszunehmen.

Die Erfüllung dieser Forderung ist für den Andenstaat extrem wichtig. Denn wenn ein bolivianischer Präsident die Chance hat, länger als etwa ein Jahr im Amt zu bleiben, dann der Aymara-Indianer Morales. Daher kann man davon ausgehen, dass Bolivien in absehbarer Zeit keine privaten Firmen für die Versorgung der Bevölkerung mit öffentlichen Gütern zulassen wird. Im Moment wird bereits mit Aguas del Illimani, Tochterfirma des französischen Wasserkonsortiums Suez, über deren Rückzug aus dem Land verhandelt. Mamani hofft, dass dies in gegenseitigem Einvernehmen geschieht.

Gemeinsam ist man stark

Einmal auf sich selbst gestellt, wird Bolivien auf internationale Finanzhilfen zwischen 50 und 60 Millionen Euro angewiesen sein, um die Wasserversorgung und die Abwasseraufbereitung im ganzen Land auszubauen. Sollten diese dem Land aufgrund der nicht-privatisierten Wasserversorgung verweigert werden, wären die Leidtragenden - mal wieder - die Menschen auf dem Land.

Doch man ist nicht allein; viele Experten sprechen von einem Linksruck, der sich in Lateinamerika vollzieht. Auch in Mexiko wird Anfang Juli 2006 gewählt. Washington blickt dieser Abstimmung wegen der Chancen der Linken ängstlich entgegen. Die neue Koalition in Lateinamerika dürfte ihren Einfluss regional, aber auch global ausbauen. Daher ist es zumindest nicht auszuschließen, dass der bolivianische Alternativvorschlag wenn schon nicht jetzt, so doch in Zukunft an Einfluss gewinnt.