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"Milosevic wollte Fahrschein nach Moskau"

14. März 2006

Der plötzliche Tod des jugoslawischen Ex-Präsidenten Slobodan Milosevic gibt weiter Anlass zu Spekulationen. Am Dienstag soll der Leichnam dem Sohn übergeben werden.

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Die Frau bedauert, dass Milosevic die Wahrheit über Serbien nicht mehr erzählen konnteBild: AP

Der am Samstag (11.3.2006) gestorbene jugoslawische Ex-Präsident Slobodan Milosevic hat möglicherweise für ihn schädliche Arzneien eingenommen. Wie am Montag bestätigt wurde, haben Mediziner schon vor Wochen in seinem Blut Spuren eines Medikamentes gegen Lepra und Tuberkulose festgestellt. Er habe Anfang des Jahres 2006 Hinweise auf Rifampicin gefunden, das die Leberfunktion ankurbele, erklärte Donald Uges in Den Haag. Dadurch würden andere Medikamente allerdings sehr schnell abgebaut. "Ich bin sicher, dass er die Medizin selbst genommen hat, weil er einen Fahrschein nach Moskau wollte", sagte der niederländische Toxikologe, der Milosevic zuletzt vor zwei Wochen untersucht hatte, am Montag der Nachrichtenagentur AFP in Den Haag. Völlig unklar blieb, ob Milosevic das Mittel freiwillig genommen hat und wie er es sich im Gefängnis hätte besorgen können.

Russland hat Zweifel an Autopsie

Das russische Außenministerium erhielt nach eigenen Angaben einen handgeschriebenen Brief von Milosevic, in dem dieser sich über eine "unangemessene Behandlung" durch die Ärzte des Haager Tribunals beklagte. Der Brief sei am Samstag in der russischen Botschaft in Den Haag eingetroffen. In dem Schreiben vom 8. März habe Milosevic sich auf eine Blutuntersuchung bezogen, die eine hohe Dosis eines Lepra- oder Tuberkulosemedikaments nachgewiesen habe. Er befürchte, vergiftet zu werden, schrieb Milosevic demnach.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow zog die Ergebnisse der Autopsie von Milosevics Leiche in Zweifel. Es stehe ihm zu, der Autopsie des Haager Tribunals "nicht zu vertrauen". Er werde russische Ärzte nach Den Haag schicken, um zumindest in den Bericht Einblick zu nehmen.

Vorbereitungen der Beisetzung

Marko Milosevic, der Sohn des Verstorbenen, ist am Dienstag (14.3.) in Den Haag eingetroffen. Er will dort den Leichnam seines Vaters in Empfang nehmen. Über die bevorstehende Beerdigung des früheren Staatsoberhaupts Jugoslawiens besteht nach wie vor keine Klarheit. Marko Milosevic hatte mitgeteilt, die Moskauer Behörden hätten ihm erlaubt, seinen Vater vorübergehend in der russischen Hauptstadt zu beerdigen, sofern ein Begräbnis in Serbien nicht zu Stande kommt.

Noch nicht entschieden ist, ob Milosevics Ehefrau Mirjana Markovich zu einer Beerdigung nach Serbien reisen kann. Dazu müsste ein Belgrader Haftbefehl gegen sie wegen Amtsmissbrauchs zumindest vorübergehend aufgehoben werden.

Gesucht: Milosevics Ehefrau

Nach Markovic wird wegen Machtmissbrauchs gefahndet. Sie war 2003 aus Serbien geflohen und hält sich wahrscheinlich in Russland auf. Gleichzeitig wird sie im Zusammenhang mit dem Mord an Ivan Stambolic, einem Gegner ihres Mannes, gesucht. Ein Gericht hatte festgestellt, dass ihre Familie hinter diesem Auftragsmord im Jahr 2000 steht.

In Belgrad entbrannte ein Streit um den Rahmen der Trauerfeier. Die Stadtverwaltung lehnte die Beerdigung in einem Ehrengrab ab, wie es von der Sozialistischen Partei Milosevics verlangt worden war. Der Oberste Verteidigungsrat untersagte als Oberbefehlshaber der Armee von Serbien-Montenegro, an der Bestattung in irgendeiner Form teilzunehmen. Die Sozialisten, von denen der Bestand der serbischen Republiksregierung abhängt, hatten eine Beerdigung mit allen staatlichen Ehrenbezeugungen gefordert.

Belgrad will weniger Druck

Die Belgrader Regierung rief unterdessen die EU und die USA auf, ihre Politik gegenüber Serbien zu ändern. In diesem "schwierigen" Augenblick für Serbien sollten die Europäische Union und die Vereinigten Staaten auf den andauernden Druck wegen der unzureichenden Zusammenarbeit mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verzichten, sagte Vuk Draskovic, Außenminister von Serbien-Montenegro, in Belgrad. (kas/kap)