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Keine Hinweise auf unnatürlichen Tod von Slobodan Milosevic

12. März 2006

Der wegen Kriegsverbrechen angeklagte jugoslawische Ex-Präsident Slobodan Milosevic ist tot. Er war fast fünf Jahre lang Untersuchungshäftling des Haager Kriegsverbrechertribunals.

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Hatte bereits starke gesundheitliche Probleme: Slobodan Milosevic (Archiv)Bild: dpa

Der 64-Jährige sei leblos auf dem Bett in seiner Zelle im Gefangenentrakt des UN-Tribunals in Den Haag aufgefunden worden, teilte das Gericht am Samstag (11.3.06) mit. Eine Autopsie und eine toxikologische Untersuchung seien angeordnet worden. Der Ex-Präsident litt seit langem unter Herzproblemen und hohem Blutdruck.

"Der Gefängniswärter hat sofort seine Vorgesetzten und einen Arzt informiert. Dieser hat den Tod von Slobodan Milosevic festgestellt", erklärte das Tribunal. Die Familie Milosevics sei informiert worden. Eine Sprecherin sagte weiter, derzeit werde nicht von Selbstmord ausgegangen. Das Gericht könne sich jedoch erst abschließend äußern, wenn die Untersuchungen beendet seien.

Reihe von Selbstmorden

Der Anwalt Milosevics schloss aus, dass dieser Selbstmord begangen haben könnte. "Er hat mir noch vor einigen Wochen gesagt, 'ich habe diesen Kampf jetzt schon so lange gekämpft und habe daher nicht die Absicht, mir etwas anzutun'", zitierte der Verteidiger Steven Kay den Ex-Präsidenten. Beide Eltern Milosevics hatten sich das Leben genommen. Anfang März hatte der als Kriegsverbrecher verurteilte frühere Anführer der kroatischen Serben, Milan Babic, in UN-Haft in Den Haag Selbstmord begangen.

In einer ersten Reaktion erklärte die österreichische Außenministerin Ursula Plassnik als amtierende EU-Ratsvorsitzende, der Tod ändere nichts an der politischen Notwendigkeit, mit der Vergangenheit abzuschließen, deren Teil Milosevic gewesen sei.

Jahrelanger Prozess

Milosevic wurde seit 2002 der Prozess vor dem Tribunal der Vereinten Nationen (UN) gemacht. Er musste sich in 66 Anklagepunkten wegen Völkermords, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in Bosnien, Kroatien und im Kosovo während der 90er Jahre verantworten. Im Dezember hatte das UN-Tribunal einen Antrag Milosevics abgelehnt, in dem Prozess Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, den britischen Premierminister Tony Blair, den früheren US-Präsidenten Bill Clinton und Ex-US-General Wesley Clark als Zeugen zu laden. Milosevic wollte belegen, dass nicht er Kriegsverbrechen in der serbischen Provinz Kosovo begangen hat, sondern die Nato-Staaten, die den Kosovo-Krieg 1999 mit Luftangriffen beendet haben.

Wegen gesundheitlicher Probleme des Ex-Präsidenten musste das Verfahren mehrmals unterbrochen werden. Zuletzt hatte er darauf gedrungen, zur medizinischen Behandlung nach Moskau ausreisen zu dürfen, weil sich sein Gesundheitszustand drastisch verschlechtert habe. Das UN-Tribunal lehnte dies im Februar jedoch ab. Es befürchtete, Milosevic könne eine Rückkehr nach Den Haag mit der Begründung ablehnen, sein Gesundheitszustand verbiete dies. In Russland lebt Milosevics Bruder, auch seine Frau und sein Sohn werden dort vermutet.

Wut und Ärger

Ein Vertreter der Sozialistischen Partei Serbiens forderte eine Stellungnahme des Gerichts, warum es Milosevic die Behandlung in Moskau verwehrte. Ein anderer Partei-Vertreter erklärte: "Sie haben ihn getötet, die Bastarde."

Milosevic hatte bis zu seinem Sturz im Oktober 2000 Jugoslawien mit harter Hand regiert. Er erwarb sich dabei den Ruf eines gewissenlosen Staatschefs, der stets die Mittel des Krieges und des Nationalismus für seinen Machterhalt einzusetzen wusste. Im Juni 2001 wurde er nach Den Haag überstellt. (mas)