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Zu wenig Wettbewerb auf europäischem Energiemarkt

Julia Elvers-Guyot28. Februar 2006

Der Machtkampf um die Vorherrschaft auf dem europäischen Energiemarkt verschärft sich. Während die EU mehr Wettbewerb fordert, schirmen Frankreich und Spanien ihre Energiekonzerne vor ausländischen Übernahmeangeboten ab.

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Gas- und Strommärkte sind hart umkämpftBild: BilderBox

Italien wirft Frankreich "Wirtschaftspatriotismus" zum Schutze französischer Firmen vor. Der Grund: Der italienische Stromriese Enel – die Nummer Drei der europäischen Energiebranche – wollte den französischen Energiekonzern Suez übernehmen. Doch die französische Regierung intervenierte und rettet Suez nun durch eine Fusion mit Gaz de France (GdF) vor einer feindlichen Übernahme.

Italien wirft Frankreich Protektionismus vor

In Italien rief die Entscheidung heftige Reaktionen und Kritik hervor. Wirtschaftsminister Giulio Tremonti erklärte, der Versuch, in der EU "Schutzbarrierren aufzubauen, muss gestoppt werden."

Es handelt sich in der Tat um Schutzbarrieren, meint Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). "Frankreich versucht ganz gezielt, einen großen Konzern zu etablieren. Wir wollen aber mehr Wettbewerb auf dem europäischen Energiemarkt." Der französische Protektionismus wundert sie indes kaum: "Frankreich hat seinen Markt schon immer abgeschottet, es gibt wenig Wettbewerb im Land."

Frankreich nimmt sich viel heraus

Auch Wolfgang Pfaffenberger, Leiter des bremer energie instituts, hält das Eingreifen des französischen Staates für übertrieben: "Das Stromunternehmen Suez ist kaum in Frankreich, sondern vor allem auf dem internationalen Markt tätig. Es ist daher nicht einzusehen, warum sich ein italienisches Unternehmen nicht auch am französischen Markt beteiligen sollte."

Genau dieses Verhalten werfen Kritiker Frankreich besonders vor: Während es eigene Unternehmen schützt, kauft es sich in anderen Ländern sehr wohl ein. So versorgt der staatliche Elektrokonzern Electricité de France (EdF) Wolfgang Pfaffenberger zufolge den kompletten Londoner Großraum mit Strom. "Die Engländer freuen sich nicht gerade darüber, lassen es aber zu. Von 12 Energie-Verteilern in England ist rund die Hälfte in ausländischer Hand."

Die Italiener ärgert besonders, dass die französische Großbank BNP Paribas vor drei Wochen die italienische BNL-Bank übernehmen konnte – ohne dass die italienische Regierung eingriff -, Frankreich der italienischen Enel nun aber bei GdF einen Strich durch die Rechnung macht.

Auch Spanien protegiert seine Energiekonzerne

Thierry Breton und Gerard Mestrallet
Der französische Finanzminister Thiery Breton verkündet Details der Fusion Gaz de Franze - SuezBild: AP

Experten sprechen im Fall Gaz de France – Suez von "Interventionismus à la française", aber auch die spanische Regierung wehrt sich gegen den Versuch des Düsseldorfer E.ON-Konzerns, den spanischen Energieversorger Endesa zu übernehmen. Spanien will, dass das Unternehmen in spanischer Hand bleibt.

Claudia Kemfert sieht auch dieses Eingreifen kritisch. "Ich halte solchen Wirtschaftprotektionismus für unbegründet und sinnlos. Es ist egal, welcher Konzern in einem Land vorherrscht." Gleichzeitig warnt die Energieexpertin des DIW aber auch davor, dass – wie im Falle einer Fusion von Endesa und E.ON – zu große Konzerne entstehen könnten: "Dies würde zu höheren Preisen für die Verbraucher führen."

Wolfgang Pfaffenberger vom bremer energie institut nennt ein Mittel gegen zu hohe Preise: "Je mehr sich der Markt internationalisiert, desto eher kommt es zu einer internationalen Marktpreisbildung." – Doch noch ist es nicht so weit.

Liberalisierung der Energiemärkte ist ein langsamer Prozess

Dabei wurden bereits 1997 die Bedingungen für einen Elektrizitätsbinnenmarkt in einer ersten europäischen Richtlinie geschaffen. 1998 folgte eine Richtlinie für den Gasbinnenmarkt. Doch im Februar 2006 gestand die EU-Kommission ein, dass sich die Liberalisierung der Energiemärkte bislang nicht flächendeckend zum Wohle der Verbraucher entwickelt.

Im Vergleich zum Telekommuniationsmarkt dauert die Liberalisierung des Energiemarktes viel länger, sagt Claudia Kemfert vom DIW: "Man braucht größere Unternehmen, weil es sich bei Pipelines und ähnlichem um sehr kapitalintensive Investitionen handelt."

Positivbeispiele Skandinavien und England

Als Vorbilder im Energiesektor gelten England und Skandinavien. "Sie sind viel weiter als Zentraleuropa, weil sie eher angefangen haben zu privatisieren", sagt Wolfgang Pfaffenberger. Auch Claudia Kemfert hält diese Länder für Positivbeispiele gelungener Marktöffnungen. "In beiden Ländern gab es schon vor der Verabschiedung der EU-Richtlinien gut funktionierende Märkte mit vielen kleinen Unternehmen", so Kemfert.

Gegen Spanien geht die EU inzwischen vor, weil es schon beschlossene Richtlinien zur Öffnung der Strom- und Gasmärkte noch nicht umgesetzt hat.