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Klimaänderung in den deutsch-chinesischen Beziehungen

Matthias von Hein23. Februar 2006

Zum Abschluss seiner fünftägigen Asien-Reise ist Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier mit der chinesischen Führung zusammengetroffen. Eine Bilanz von Matthias von Hein.

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Steinmeier in PekingBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Die deutsch-chinesischen Beziehungen gelten als gut. Dass Außenminister Steinmeier sogar von Staats- und Parteichef Hu Jintao empfangen wurde, unterstreicht das nur. Das gilt besonders für die Wirtschaft: China ist für Deutschland der wichtigste Handelspartner in Asien. Deutsche Unternehmen haben mehr als zehn Milliarden US-Dollar in China investiert. Doch es gibt auch darüber hinaus eine enge Zusammenarbeit auf allen Ebenen: Jährlich treffen sich die Regierungschefs, die verschiedensten Fachminister stehen in engem Austausch, Delegationen beider Staaten sausen wie die Weberschiffchen zwischen Deutschland und China hin und her, und jede deutsche Stadt, die etwas auf sich hält, hat eine chinesische Partnerstadt.

Vorsichtige Distanzierung

Vor diesem Hintergrund war der Antrittsbesuch von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier Routine. Und doch lässt sich bei genauerem Hinsehen eine Änderung des Klimas ablesen, eine Verschiebung der Gewichte. Der Annäherung an die USA und der vorsichtigen Distanzierung von Moskau entspricht, auf asiatischem Parkett, die Annäherung an Japan und die vorsichtige Distanzierung von Peking.

Nicht nur ist Steinmeier der erste deutsche Außenminister seit fünf Jahren, der Tokio besuchte, sondern er besuchte Tokio vor Peking. Und er wandte sich ausgerechnet beim Erzrivalen Chinas von der Linie der früheren Bundesregierung bezüglich des EU-Waffenembargos gegen China ab. Ex-Kanzler Gerhard Schröder hatte noch vehement dafür plädiert, das seit 1989 geltende Verbot des Verkaufs von Waffen nach China aufzuheben. Sein früherer Kanzleramtschef ließ jetzt, in seiner neuen Rolle als Außenminister, wissen, das Embargo könne nur gemeinsam mit den anderen EU-Staaten aufgehoben werden. Dass er sich dafür einsetzen werde, versprach er nicht - sicher ganz im Sinne seiner Kanzlerin. Angela Merkel wird ohnehin bei ihrem Besuch in Peking Ende Mai auf das Embargo angesprochen werden.

Hemmungsloser Technologieklau

Ein weiteres lästiges Thema im Gepäck Steinmeiers: Die fortgesetzten Verletzungen geistigen Eigentums in China. In Deutschland mehren sich die Klagen über hemmungslosen Technologieklau aus China. Und langsam dämmert deutschen Investoren, dass mit Kopien auch von High-Tech-Produkten nicht allein der chinesische Markt bedient wird - was schmerzhaft genug wäre -, sondern dass diese Produkte vermehrt auch auf den Heimatmärkten auftauchen. Ironie des Schicksals: Auch die nach dem Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation WTO erlassenen Gesetze zum Urheberrechtsschutz wurden nach deutschem Vorbild gestaltet.

Allerdings hapert es an der Umsetzung. Das gab auch Chinas Außenminister Li Zhaoxing zu. Trotz aller zur Schau gestellten Zerknirschung und trotz aller Bekenntnisse zur Besserung: Das auch staatlich geförderte Streben nach Know-how wird erst dann vor Patenten Halt machen, wenn auch chinesische Firmen massiv unter Plagiaten zu leiden haben.

Strategischer Dialog

Ob der von der Pekinger Führung postulierte "friedliche Aufstieg" Chinas tatsächlich ohne größere Reibungen im internationalen System vonstatten gehen wird, entscheidet sich aber genau an dieser Frage: Inwieweit ist China bereit, sein wachsendes Gewicht verantwortlich einzusetzen? Inwieweit ist China bereit, sich internationalen Spielregeln und den Regimes multinationaler Abkommen zu unterwerfen? Die von Steinmeier in Peking angesprochenen Themen unterstreichen das: Der Atomstreit mit dem Iran, Chinas so genannte rohstofforientierte Außenpolitik oder - nach innen - der Mangel an Freiheitsrechten für die chinesische Bevölkerung.

Im Gespräch zu bleiben ist da der richtige Weg. Insofern ist die Einrichtung des jetzt vereinbarten "stategischen Dialogs" zu begrüßen. Besonders dann, wenn die Gespräche mit chinesischen Regierungsvertretern flankiert werden von Gesprächen mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen. Steinmeiers Treffen mit solchen Vertretern ist das richtige Signal. Diese Menschen sind die eigentlichen Urheber und Träger des Wandels. Sie verdienen jede Unterstützung beim Versuch, ihre noch sehr engen Spielräume auszuweiten.