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Menschenhandel im Osten Europas auf dem Vormarsch?

9. Februar 2006

Härteres Vorgehen gegen Menschenhandel forderte jüngst die OSZE. In vielen Ländern ist das Thema tabu, Hilfe für die Opfer gibt es kaum. Fokus Ost-Südost zeigt Beispiele aus Zentralasien, Aserbaidschan und Osteuropa.

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Zwangsarbeit auf Baumwollfeldern und BaustellenBild: dpa

Innerhalb der zentralasiatischen Länder gilt Kasachstan als das Land mit den besten Lebensbedingungen. Zahlreiche Tadschiken, Usbeken und Kirgisen suchen hier Arbeit. Doch der Traum von der besseren Zukunft ist schnell ausgeträumt: viele werden nur ausgebeutet.

Die meisten Menschen, die in Kasachstan Arbeit suchen, bemühen sich, offizielle Papiere zu erhalten, die ihnen erlauben würden, sich ohne Probleme im Lande aufzuhalten und zu arbeiten. Aber es gelingt bei weitem nicht allen, eine Erlaubnis für eine so genannte „kommerzielle Betätigung“ in Kasachstan für die Dauer eines Jahres zu erlangen.

Dodarbek Tabarow aus Duschanbe, der auf einem Markt in Almaty Kleidung und Schuhe verkauft, bestätigt, dass nicht jeder 100 bis 150 Dollar für diese Papiere aufbringen könne. Deswegen, so Dodarbek, würden sich vor allem seine Landsleute aus Tadschikistan, aber auch Freunde aus Usbekistan und Afghanistan mit einem Gast-Visum begnügen, mit dem man sich drei Monate in Kasachstan aufhalten dürfe. Theoretisch könne man in dieser Zeit genug Geld verdienen, vorausgesetzt, man habe Glück.

Ausbeutung und Drohungen

Aber in den meisten Fällen wendet sich das Glück von den Einwanderern ab. Menschen aus anderen Ländern, die in der Landwirtschaft oder auf Baustellen arbeiten, müssen sich häufig verschulden. Die Folge ist, dass sie ihre Schulden erst „abarbeiten“ und auf unbestimmte Zeit in der Fremde bleiben müssen.

Der Tadschike Dodarbek erzählt, dass die Gläubiger ihre Schuldner immer wieder unter Druck setzen: wenn diese mit etwas unzufrieden seien, könnte ja jederzeit die Polizei kommen und alles beenden. Es ist klar, dass niemand nach Chudschand, Kanibadam oder Kokand zurückkehren will - ohne Geld, und zudem mit einem im Pass vermerkten mindestens einjährigen Einreiseverbot für Kasachstan. Deswegen arbeiten die Menschen oft bis zur Erschöpfung. Dodarbek meint, dass die Eigentümer von Baustellen oder auch Bauern oft selbst Polizeirazzien herbeiführen, um den illegalen Arbeitern kein Geld zahlen zu müssen.

Tadschikistan fordert bilaterales Abkommen

Nach Angaben der tadschikischen Botschaft kamen auf der Suche nach Arbeit im vergangenen Jahr etwa 10.000 Tadschiken nach Kasachstan. Die geografische Nähe und die entsprechend geringeren Fahrtkosten, aber auch die in Kasachstan steigende Nachfrage nach Arbeitskräften und die dortigen vergleichsweise hohen Löhne machen das Land für tadschikische Gastarbeiter immer attraktiver.

Nach wie vor reisen die meisten tadschikischen Arbeitskräfte illegal nach Kasachstan ein. Bis heute verfügt keine einzige Organisation in Tadschikistan, die sich mit der Vermittlung von Arbeit im Ausland befasst, über einen Vertrag mit kasachischen Arbeitgebern. Die nicht gelenkten Einwanderungsströme erhöhen das Risiko für die Einwanderer, in Sklaverei oder Ausbeutung zu geraten. Experten gehen davon aus, dass der Strom tadschikischer Arbeiter nach Kasachstan in den nächsten Jahren zunehmen wird. Der Leiter des Staatlichen Migrationsdienstes Tadschikistans, Anwar Babajew, betonte, der Schutz der Rechte tadschikischer Gastarbeiter in Kasachstan müsse gestärkt werden. Bislang gebe es keine bilateralen Abkommen in diesem Bereich: „Im Jahr 2002 hatte das tadschikische Ministerium für Arbeit und Sozialschutz den Entwurf für ein Abkommen zwischen Tadschikistan und Kasachstan im Bereich der Arbeitsmigration und des Schutzes der Rechte der Migranten erarbeitet. Der Entwurf wurde unseren kasachischen Kollegen zur Prüfung vorgelegt. Seitdem sind mehr als drei Jahre vergangen. Wir müssen diese Arbeit beschleunigen, damit wir mit Kasachstan ein solches Abkommen haben wie mit Russland.“

Immer mehr Usbeken wollen das Land verlassen

Die meisten Usbeken kennen die Probleme der illegalen Beschäftigung in Kasachstan. Vermittler in Taschkent versprechen den Menschen Arbeit, bringen sie dann ins Nachbarland, wo sie an die so genannten „modernen Arbeitgeber“ verkauft werden. Manchen gelingt die Flucht, andere sind spurlos verschwunden. Aber auch solche Fälle halten den Strom der Migranten nicht auf. Walentina Tschupik von der Nichtregierungsorganisation TONG erklärt: „Sie haben Angst, aber wohin sollen sie? Man kann nichts machen, sie brauchen irgendetwas zum Leben. Unsere Bevölkerung versteht immer mehr, dass man für das Geld, das man hier zahlt, nicht arbeiten kann. Es ist besser, nichts zu machen, als sich mit einer wirtschaftlich sinnlosen Tätigkeit zu befassen. Deswegen wollen immer mehr Menschen auswandern.“

Früher, sagte die Migrationsexpertin Tschupik, wollten die Menschen im Ausland arbeiten und wieder nach Usbekistan zurückkehren. Heute unternehmen die Menschen alles, um ihre Heimat für immer zu verlassen.

DW-RADIO/Russisch, 3.2.2006, Fokus Ost-Südost