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Chiracs Erklärung zum Kernwaffeneinsatz im Wortlaut

19. Januar 2006

Der französische Präsident Jacques Chirac hat am Donnerstag (19.1.2006) die französische Atomwaffendoktrin neu umrissen. DW-WORLD dokumentiert Auszüge seiner Rede.

https://p.dw.com/p/7oJP

Mit dem Ende des Kalten Krieges sind wir derzeit keiner direkten Bedrohung durch eine Großmacht ausgesetzt. Das stimmt. Doch das Ende der bipolaren Welt hat die Bedrohungen des Friedens nicht verschwinden lassen. In zahlreichen Ländern verbreiten sich radikale Vorstellungen, die die Konfrontation der Zivilisationen, Kulturen und Religionen predigen. Heute zeigt sich dieser Wille zur Konfrontation in abscheulichen Anschlägen, die uns regelmäßig daran erinnern, dass der Fanatismus und die Intoleranz zu allem Wahnsinn führen. Morgen könnte er andere, noch schlimmere Formen annehmen und - noch schlimmer - vielleicht Staaten einbeziehen.

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(Unsere Welt) ist mit dem Auftauchen neuer Quellen des Ungleichgewichts konfrontiert: namentlich die Teilung der Rohstoffe, die Verteilung der Naturressourcen und die Entwicklung der demographischen Gleichgewichte. Diese Entwicklung könnte Ursache der Instabilität sein, vor allem, wenn sie von einem Ansteigen der Nationalismen begleitet wird.

Die atomare Abschreckung ist nicht dazu bestimmt, fanatische Terroristen abzuschrecken. Doch die Führer von Staaten, die gegen uns auf terroristische Mittel zurückgreifen, sowie alle, die in der einen oder anderen Weise den Einsatz von Massenvernichtungswaffen erwägen, müssen verstehen, dass sie sich einer festen und angepassten Antwort unserer Seite aussetzen würden. Diese Antwort kann konventionell sein; sie kann auch anderer Natur sein.

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Die Garantie unserer strategischen Versorgung und die Verteidigung der verbündeten Länder gehören unter anderen zu den Interessen, die es zu schützen gilt. (...) Es obliegt dem Präsidenten der Republik, das Ausmaß und die möglichen Folgen einer Bedrohung oder einer unerträglichen Erpressung gegen seine Interessen einzuschätzen.

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Unsere Welt wird vom Auftauchen von Machtansprüchen geprägt, die auf dem Besitz atomarer, biologischer oder chemischer Waffen beruhen. Daher die Versuchung gewisser Staaten, sich mit Atomwaffen auszustatten, und das unter Bruch der Verträge. Die Versuche mit ballistischen Raketen, deren Reichweite ständig steigt, nehmen überall in der Welt zu.

Gegen eine Regionalmacht haben wir nicht nur die Wahl zwischen Untätigkeit und Vernichtung. Die Flexibilität und Reaktionsfähigkeit unserer strategischen Streitkräfte würde uns erlauben, unsere Antwort direkt auf die Machtzentren und ihre Handlungsfähigkeit zu richten. Unsere ganze Atomstreitmacht wurde in diesem Geist konfiguriert. Mit diesem Ziel haben wir zum Beispiel die Zahl der Atomsprengköpfe auf bestimmten Raketen unserer U-Boote gesenkt.

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Doch unser Konzept des Atomwaffeneinsatzes bleibt unverändert. Es käme in keinem Fall in Frage, atomare Mittel in Konflikten zu militärischen Zwecken einzusetzen. (...) Die glaubwürdige Drohung mit ihrem Einsatz lastet ständig auf Führern, die uns gegenüber feindliche Absichten hegen. Sie ist wesentlich dazu da, sie zur Vernunft zu bringen und ihnen die maßlosen Kosten bewusst zu machen, die ihre Handlungen für sie selber und für ihre Staaten hätten.

(Die Übersetzung stammt von der Deutschen Presseagentur dpa)