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Wenn der Premier campen geht

Patrick Tippelt, Bangkok16. Januar 2006

Thailands Regierungschef Thaksin spielt politisches "Big Brother". Deshalb putzen Bauern ihre Höfe, bekommen Dörfer fließend Wasser und Fernsehsüchtige entschließen sich zum kalten Entzug.

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Da wird die weitläufige Familie sich aber grün ärgern, denkt Somdetch Thawangkum sich. Sein ganzes Leben wohnt er in Roi Et, der ärmsten Provinz Thailands, und auf einmal wird sein Feld – sein Feld! – in ganz Thailand bekannt. Und auch noch über Nacht. Denn am Montagabend (16.01.) hält eine merkwürdige Truppe den Acker besetzt. Mit dabei: der reichste Mann des Landes, Premierminister Thaksin Shinawatra.

Aus sieben Zelten besteht das militärhafte Lager. Vier dienen als Schlafunterkünfte, zwei werden für Besprechungen benutzt, und im letzten steht eine Mobilküche. Der Premier wird sich mit Kabinettsmitgliedern ein Zelt teilen und unter Moskitonetzen ruhen. Allerdings benutzt er ein privates Klo. Da ist er ein wenig eigen. Zehn Kameras sind im Lager installiert. Was sie filmen, wird per Satellit in die Haushalte der Nation gespeist.

Backstage: Thaksin live!

Thailand und Thaksin sind immer für eine Überraschung gut. Nun schreibt man wieder Geschichte, und die Idee ist so gut, dass sie eigentlich nur von Thaksin selbst kommen kann. Fünf Tage lang ist er Hauptdarsteller einer Reality-TV-Sendung, die den treffenden Namen „Backstage mit dem Premier“ trägt.

Treffend, weil der Star natürlich Thaksin ist. Sein Kabinett hat er mitgebracht nach Roi Et, aber das besteht eh nur aus Statisten. Ob im Feld oder im Parlament.

Thaksin & Co werden bis Freitag hier Workshops organisieren, in denen darüber sinniert werden soll, wie man am besten die Armut ausrotten kann. Und da Thaksin sich gern volksnah gibt (obwohl Thaksin und Volksnähe Antonyme sind), will er diese Woche ausgiebig mit dem Plebs reden. Vielleicht haben die, die nichts haben, ja bessere Ideen als so mancher weltfremde Intimus des Premiers.

Teures Handtuch

Eine 100-köpfige Produktionscrew, ausgestattet mit 40 Kameras, begleitet ihn auf Schritt und Tritt. Selbstverständlich wird da einiges zensiert werden. Ungern nur erinnert man sich an peinliche Fotos vor zwei Jahren, die von Thaksin während eines ähnlichen Aufenthaltes in der Provinz geschossen worden waren. Da hatte der gute Mann – ganz frugal – in einem einfachen Tempel genächtigt, genoss kalte Duschen und wurde mit einem Handtuch um die Hüften abgelichtet. Tags darauf diskutierte die Nation, ob es denn unbedingt eins von der Luxusmarke Louis Vuitton hätte sein müssen.

Realitätsferner als der Papst?

Daher diesmal also Vorsichtsmaßnahmen – vor den Kulissen und dahinter. Thaksin selbst verkündete, er wolle endlich wieder einmal selbst sehen, wie es um seine Landsleute beschaffen ist. Er verbat sich vorgefertige Reden, Raumplanverschönerungen und altkluge Beschuldigungen von Kritikern („Propagandatrick!“). Doch noch heute wurden letzte Blumenbeete gepflanzt entlang rasch ausgebesserter Straßen, über die Thaksin düsen wird. In den Dörfern, die er besuchen wird, wurde binnen einer Woche fließend Wasser installiert. Musterbauernhöfe wurden auch noch angelegt. Und alles nur, damit sich Thaksin über die tatsächliche Lage der Nation informieren und den Bürgern 96 Stunden lang beweisen kann, wie 08/15 er eigentlich ist – oder doch nur populistisch?

Somdetch übrigens hat kaum eine Chance, seinen innig geliebten Premier persönlich zu treffen, denn sein Haus – noch rasch von Somdetch selbst geputzt – wurde vom Provinzgouverneur in Beschlag genommen. Somdetch muss bei Verwandten unterkommen. Dessen Ehefrau ist ganz praktisch veranlagt. Sie hofft auf eine Vergütung für die Benutzung des Feldes. So weit reicht bei ihr der Patriotismus dann doch nicht.