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Gaspipeline zwischen Iran und Europa bis 2007 entschieden

Das Gespräch führte Steffen Leidel10. Januar 2006

Der österreichische Energiekonzern OMV will mit der Nabucco-Pipeline Europa Gasvorkommen vor allem im Iran zugänglich machen. Russland ist darüber nicht erfreut. Ein Interview mit dem Geschäftsführer der OMV Gas.

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Im europäischen Erdgasnetz hat Österreich eine SchlüsselstellungBild: OMV

DW-WORLD: Im Gasstreit zwischen Russland und Ukraine haben sich die Wogen vorerst geglättet. Europa ist aber klar geworden, dass es sich nicht zu einseitig an Russland binden darf. Eigentlich müssten Sie sich doch über die Auseinandersetzung gefreut haben. Damit ist ihr Projekt Nabucco, eine Pipeline, die von den Gasfeldern des Iran über die Türkei und den Balkan nach Westeuropa führen soll, wieder ins Gespräch gebracht worden.

Otto Musilek: Über so einen Konflikt kann sich eigentlich niemanden freuen. Das Nabucco-Projekt wurde gestartet schon vor dieser kleinen Meinungsverschiedenheit zwischen Russland und der Ukraine. Glaubt man den Prognosen wird der Gasbedarf in Europa enorm ansteigen – um schätzungsweise 400 Milliarden Kubikmeter bis zum Jahr 2020. Russland wird alleine dafür nicht aufkommen können. Wir haben das Nabucco-Projekt gestartet in dem Bewusstsein, dass wir neue Quellen und alternative Transportrouten brauchen, um diesen enormen Bedarf an Erdgas zu decken.

Aber Sie müssen sich doch gefreut haben, dass beispielsweise der EU-Energiekommissar Andris Piebalgs Ihr Projekt in der Öffentlichkeit wieder so ins Gespräch gebracht hat.

Das freut mich sicherlich. Mit der EU stehen wir seit Beginn des Projektes in Kontakt. Die EU hat auch die Machbarkeits-Studie gefördert. Wir haben dafür ja von der EU Geld bekommen. Die EU ist interessiert an neuen Quellen und Routen. Es hat mich gefreut, dass Piebalgs von sich aus unser Projekt verstärkt in der Presse nennt.

Wie ist der aktuelle Stand des Nabucco-Projekts: Können Sie mit 100-prozentiger Sicherheit sagen, dass die Pipeline gebaut wird?

Nein, das kann ich nicht 100 Prozent sagen. Wir haben die Machbarkeitsstudie fertiggestellt, wir haben die Trasse festgelegt, wir haben bereits eine Unzahl von Vorarbeiten geleistet. Der Grund, weshalb wir noch nicht 100 Prozent sagen können, dass die Pipeline realisiert wird, beruht auf der Tatsache, dass wir es in gewissem Maße schwer haben. Wir als Nabucco-Projektentwickler sind ein Netzbetreiber und kein Produzent oder Vermarkter von Erdgas. Deshalb ist es unsere Aufgabe, Produzenten und Vermarkter zu finden, die mit uns einen Transportvertrag abschließen. Die Pipeline kann maximal bis zu 30 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr transportieren. Damit der Spatenstich erfolgen kann, brauchen wir ein Transportvolumen von mindestens 8 Milliarden Kubikmeter jährlich.

Und wie weit sind Sie jetzt?

Wir sind mitten in Verhandlungen mit Produzenten und Vermarktern. Solche Vertragsverhandlungen dauern einige Zeit. Wir haben uns eine Deadline gesetzt, um den Termin der Inbetriebnahme im Jahr 2011 einhalten zu können. Es muss bis Ende 2007 die Entscheidung fallen, ob wir bauen oder nicht. Das ist der Point of No Return. Wir sind hier auf einem guten Weg in den Verhandlungen und die aktuellen Ereignisse helfen uns ein bisschen das Ganze zu beschleunigen.

Können Sie Partner nennen, mit denen Sie Verhandlungen führen?

Es gibt konkrete Partner, aber ich bitte um Verständnis, dass ich sie nicht nennen kann. Es gibt sowohl auf Seite der Produzenten als auch auf der Seite der Vermarkterseite Gespräche.

Sind da auch deutsche Unternehmen dabei?

Selbstverständlich. Der deutsche Gasmarkt ist ein großer, den brauchen wir, um Verträge abzuschließen.

Lesen Sie im zweiten Teil, ob die Nabucco-Pipeline in Konkurrenz zur deutsch-russischen Ostseepipeline steht.

Sie müssen die Investoren überzeugen, dass die Pipeline langfristig rentabel ist. Manche Experten sagen, die Ostseepipeline und die Nabucco-Pipeline stünden in Konkurrenz trotz des steigenden Gasbedarfs.

Die Ostseepipeline sehe ich nicht als Konkurrenzpipeline. Wenn Sie sich die Prognosen ansehen, dann müssen wir bis ins Jahr 2020 400 Milliarden Kubikmeter mehr Erdgas aufbringen, um den Bedarf Europas zu decken. Auch wenn wir nur halb so viel, wie die Prognosen vorhersagen, letztendlich brauchen: Nabucco bringt etwa maximal 30 Milliarden Kubikmeter aus einem von Europa bislang nicht erschlossenen Raum, dem Mittleren Osten und dem Kaspischen Raum. Die Nordostseepipeline bringt maximal rund 55 Milliarden russisches Gas. So wären gerade mal 85 Milliarden Kubikmeter gedeckt. Das heißt, uns fehlt uns dann immer noch einiges. Die Infrastruktur ist notwendig in Zukunft.

Welche Gasfelder wollen Sie erschließen?

Den Mittleren Osten und den Kaspischen Raum. Die größten Gasreserven in diesem Gebiet liegen im Iran. Der sollte ein Hauptlieferant werden. Wir schauen aber auch nach Aserbaidschan und verschiedene arabische Länder. Europa braucht einen Zugang zu den zweitgrößten Gasreserven der Welt.

Aber Russland wird doch nicht gerade darüber erfreut sein, dass Sie nun Gasvorkommen erschließen, von denen Russland dann nicht profitieren wird, da es umgangen wird. So muss beispielsweise Gas aus Turkmenistan derzeit noch über russische Pipelines transportiert werden. Das wäre dann nicht mehr nötig..

Russland ist nicht erfreut über dieses Projekt. Daraus hat es nie einen Hehl gemacht. Wir sind aber mit den Russen in Kontakt. Doch für Russland besteht ja auch eine Möglichkeit die Nabucco-Pipeline mit zu nutzen. Es könnte ja Gas durch die Bluestream-Pipeline in die Türkei leiten und es dort in die Nabucco einspeisen. Die Bluestream-Leitung führt von Russland durch das schwarze Meer in die Türkei. Die ist fertig, aber sie ist nicht voll ausgelastet, da die Türkei nicht so viel Erdgas benötigt. Sie ist nur zu 25 Prozent ausgelastet.

Welche Rolle wird Flüssigerdgas in der Zukunft spielen? Ist es eine Alternative zum Pipeline-Gas?

Sicher wird Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas - LNG) eine wichtige Rolle spielen. Allerdings glaube ich nicht, dass man sich Infrastrukturprojekte wie die Nabucco-Pipeline ersparen kann. Das LNG transportiert man mit Schiffen und es wäre eine Unzahl von Terminals notwendig, um sich nur auf LNG zu verlassen. Europa wird aber sicher solche Terminals benötigen, um den Bedarf abdecken zu können. Die OMV will im Rahmen eines Konsortiums einen Anladehafen für verflüssigtes Erdgas in der nördlichen Adria errichten. Wir hatten das Projekt bereits vor einigen Jahren ins Leben gerufen. Damals war es nicht wirtschaftlich. Die Gaspreise waren zu niedrig und die Kosten der Schiffe und Anlangen zu hoch. Diese Kosten sind dramatisch gefallen und der Gaspreis gestiegen, was uns ermutigt hat, dieses Projekt wieder zu starten. Das Adria LNG-Terminal soll wie die Nabucco-Pipeline 2011 in Betrieb genommen werden.

Otto Musilek ist Geschäftsführer der OMV Gas GmbH