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Das Milliardengeschäft der Politflüsterer

Ranty Islam7. Januar 2006

Der Fall des ehemaligen Lobbyisten Jack Abramoff beunruhigt die politische Elite Washingtons. Er wirft auch ein Schlaglicht auf das milliardenschwere Geschäft mit der politischen Einflussnahme in den USA.

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Der US-Lobbyist Jack AbramoffBild: dpa - Report

Korruption, Betrug und Steuerhinterziehung werfen die Bundesstaatsanwälte ihm vor. Und Jack Abramoff hat sich schuldig bekannt. Dafür hofft er, nur einige Jahre im Gefängnis absitzen zu müssen. Im Gegenzug erwarten die Staatsanwälte, dass der ehemalige republikanische Superlobbyist redet. Und zwar über seine Geschäftsbeziehungen zu Kongressabgeordneten - und die Geschenke die er ihnen gemacht hat, um ihre politische Unterstützung zu gewinnen. Die Vorahnung von dem, was er erzählen könnte, dürfte bei nicht wenigen Politikern in Washington für Schweißausbrüche sorgen.

Bis zu 20 Kongressmitglieder und Senatoren stehen im Zusammenhang mit dem Fall Abramoff im Visier des US-Justizministeriums - die meisten von ihnen Mitglieder der regierenden Republikaner, aber auch einige Demokraten. Bezahlt wurde Abramoff, wie Tausende seiner Lobbyisten-Kollegen, von Privatfirmen und Interessenverbänden aus Wirtschaft und Gesellschaft, denen er bei den wichtigsten politischen Entscheidern des Landes besonderes Gehör verschaffen sollte. Unter den Geschenken, die über Abramoff an Politiker gegangen sein sollen, sind illegale Wahlkampfspenden, Luxusreisen oder Logensitze für große Sportveranstaltungen.

Geschäfte im Verborgenen

Capitol Hill in Washington
Der Fall Abramoff hat den Einfluss von Lobbyisten ins Zentrum des Medieninteresses gerücktBild: Illuscope

Der Fall Abramoff sei nur die Spitze des Eisbergs, mutmaßen Experten. Dem Lobbyisten wurde ein Untersuchungsausschuss des Senats zum Verhängnis: Der fand heraus, dass Abramoff zusammen mit seinem ehemaligen Geschäftspartner Michael Scanlon mehrere Indianerstämme mit rund 80 Millionen Dollar für seine Dienste zur Kasse gebeten hatte - um etwa dafür zu sorgen, dass die Politiker die besonderen Casino- und Glückspiellizenzen der Reservate unangetastet ließen. Rund ein Viertel der Millionensumme soll jedoch in Abramoffs eigene Tasche geflossen sein, sagen die Staatsanwälte. Nachdem bereits Scanlon gestanden hatte, an Korruptionszahlungen beteiligt gewesen zu sein, wurde nun der Druck auf Abramoff offenbar immer größer, sich ebenfalls mit der Justiz zu arrangieren.

Neben den Politikern gibt es noch eine andere Gruppe, die wohl kein besonderes Interesse daran hat, dass der Skandal um Abramoff zu lange in den Medien bleibt: seine Kollegen. Für deren Arbeit ist die öffentliche Aufmerksamkeit, die Abramoff auf die Branche der Lobbyisten gelenkt hat wenig hilfreich. Die direkte persönliche Vermittlung - manche würden sagen der politische Kuhhandel - zwischen Interessengruppen und Politikern funktioniert dann am besten, wenn keiner zuschaut.

Washingtons Wachstumsbranche

Nach Angaben des Center for Public Integrity (CPI) in Washington gaben Lobbyisten alleine 2003 die Summe von 2,4 Milliarden US-Dollar aus, um politische Entscheidungsträger im Sinne ihrer Auftraggeber zu beeinflussen. "Damit stellen die Lobbyisten mehr Geld in Rechnung als die gesamten Gehälter, die die 30 Baseballteams der Major League auszahlen", heißt es in einer Stellungnahme der CPI-Direktorin Roberta Baskin.

Die Zahl der beim US-Senat registrierten Lobbyisten ist sogar noch höher. Wie die Zeitung "Washington Post" berichtete, hat sie sich seit dem Jahr 2000 auf knapp 35.000 verdoppelt. Auch die "Gebühren", die die Lobbyisten ihren Auftraggebern jeweils in Rechnung stellen, haben sich im gleichen Zeitraum um bis zu 100 Prozent erhöht. Damit ist das Geschäft der politischen Einflussnahme mittlerweile eine der lukrativsten Industrien.

Von Capitol Hill an die K-Street

Das haben auch die Politiker erkannt. Nach einer Studie der Organisation Public Citizen, haben 43 Prozent der Kongressabgeordneten und Senatoren, die seit 1998 aus ihrem Amt ausgeschieden sind, bei den Lobbyfirmen angeheuert. Ein Drittel der demokratischen und über die Hälfte der republikanischen Parlamentarier, die in den Privatsektor abwandern, verwandeln so nach dem Ende der Politkarriere ihre Verbindungen in Geld. Und das nicht schlecht. Auf die bestvernetzten Alt-Politiker und Neu-Lobbyisten warten Anfangsgehälter von bis zu 300.000 US-Dollar jährlich, schrieb die "Washington Post". "Revolving Door" - Drehtür-Prinzip nennt sich das: eben noch gewählter Volksvertreter auf dem Capitol Hill, jetzt ein bezahlter Politflüsterer in der K-Street. Dort tummeln sich die Lobbyfirmen in Washington.

Da überrascht es kaum, dass die Kontrolle der Lobbyisten durch die Politik in den vergangenen Jahren zunehmend lax gehandhabt wurde. Das CPI ermittelte, dass 49 von 50 der Top-Lobbyfirmen ihre Spenden und Petitionen nicht ordnungsgemäß dokumentiert haben. Auch die Medien hätten die Lobbyindustrie nicht ernst genug genommen. Die Geldsumme, die Lobbyisten für ihre Arbeit aufwenden, ist doppelt so hoch wie die Beträge, die für die Wahlkampagnen bezahlt werden. "Das heißt, um unsere Parlamentarier zu beeinflussen, wird zwei Mal so viel Geld bezahlt, wie um sie zu wählen", so Baskin. Trotzdem werde über Wahlkampfspenden ungleich mehr berichtet als über die Lobbyarbeit.

Keine amerikanischen Verhältnisse in Deutschland

Derartige Ausmaße hat das Geschäft mit der politischen Einflussnahme in anderen Ländern noch nicht erreicht. Der Kongress in den USA ist wesentlich unabhängiger vom Präsidenten, als etwa der Bundestag vom Bundeskanzler in Deutschland. Als gesetzgebende Instanz ist der US-Kongress eigenständig, erläutert Ulrich von Alemann, Professor für Politikwissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. "Damit sind Kongressabgeordnete ein viel wichtigeres Ziel für Lobbyisten", so Alemann.

In Deutschland gab es zwar Affären, etwa die um PR-Berater Moritz Hunzinger, die 2002 zum Sturz des damaligen Bundesverteidigungsministers Rudolf Scharping (SPD) beitrug. Doch sonst gibt es nicht viele Möglichkeiten der legalen Beeinflussung von Abgeordneten in Deutschland. "In Berlin treffen sich Politiker beispielsweise mit Vertretern von Industrieverbänden zu so genannten parlamentarischen Abenden", sagt Jan-Friedrich Kallmorgen von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in der Bundeshauptstadt. Dabei gehe es aber lediglich um den Austausch von Hintergrundinformationen. "In den USA ist es dagegen völlig üblich, dass Interessengruppen den direkten Zugang zu Politikern suchen", so Kallmorgen.

Deutsche Firmen mischen mit

DaimlerChrysler
Auch DaimlerChrysler hat fleißig für die Lobbyisten in Washington gespendetBild: AP

Auch deutsche Firmen nutzen gerne diesen Weg. Seit 1998 haben sie über 63 Millionen Dollar für die Überzeugungsarbeit bei US-Politikern ausgegeben. Das CPI listet DaimlerChrysler, Deutsche Telekom und Siemens als die drei spendenfreudigsten Firmen aus Deutschland auf. Insgesamt haben Unternehmen aus der Bundesrepublik den zweitgrößten Anteil an den 620 Millionen Dollar, die seit 1998 aus dem Ausland an die US-Lobbyisten geflossen sind.

Der Fall Abramoff sorgt gegenwärtig für Schlagzeilen, doch es ist fraglich, ob er das Lobbysytem in den USA nach dem Abflauen des Medieninteresses nachhaltig verändern oder auch nur transparenter machen wird. Zu lange schon ist das "political dealmaking" ein fester Bestandteil der US-Politik. Darüber soll sich im Jahre 1913 bereits US-Präsident Woodrow Wilson beklagt haben: "Diese Stadt quillt über von Lobbyisten. Man kann keinen Ziegel in irgendeine Richtung werfen, ohne einen von ihnen zu treffen."

Etwas Gutes hat die Abramoff-Affäre allerdings: Einige Politiker sind offenbar zu dem Schluss gekommen, dass die Wahlkampfkohle von Abramoff zu heiß geworden ist. Jetzt distanzieren sie sich von dem tief gefallenen Lobbyisten - und spenden das Geld massenhaft an karitative Organisationen. Auch Präsident Bush soll 6000 Dollar an die Amerikanische Kardiologische Vereinigung (AHA) gegeben haben, wie die "New York Times" am Freitag (6.1.2006) berichtete. Ob diese Spenden auch wieder von der Steuer abgesetzt werden können, bleibt abzuwarten.