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Weißrusslands Diktator punktet mit Populismus

Walerija Minskaja24. Dezember 2005

Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko gilt im Westen als letzter Diktator Europas. Doch in Weißrussland selbst sind viele Menschen mit der Politik Lukaschenkos zufrieden.

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Alexander LukaschenkoBild: AP

40 Kilometer von Minsk entfernt befindet sich am Straßenrand entlang der Logojskaja-Trasse ein kleiner Markt. Hier verkaufen Ortsansässige Lebensmittel aus eigener Produktion: Äpfel, Zwiebeln oder Kartoffeln. Die Familie Selich aus Logojsk bessert ihr Einkommen mit selbst gesammelten Pilzen auf. Aber auch ohne diese Einnahmen würden sie unter der jetzigen Regierung gut leben. Im Vergleich zu den Zeiten der Sowjetunion habe sich ihr Leben im unabhängigen Belarus spürbar verbessert, meint die 48-jährige Sanitäterin Ada Selich. "Lukaschenko ist wirklich der beste Präsident, ein Hausherr, und er setzt sich für die Arbeiter ein. Alles änderte sich, als Lukaschenko kam", sagt sie. "Mit ihm leben wir besser. Ich möchte, dass er bis zum Ende seines Lebens bleibt."

Dann wird eben billige Wurst gekauft

Wenn das so einfach wäre
Einsatz gegen Demonstranten im MärzBild: AP

Die 70-jährige Rentnerin Marija Gussakowskaja verkauft Pflaumen aus dem eigenen Garten. Auch wenn sie mit dem Verkauf nicht viel verdient, ist sie dennoch zufrieden. In letzter Zeit hat sich das Leben für sie verteuert, weil die Tarife für die kommunalen Dienstleistungen und die Lebensmittelpreise angehoben wurden. Trotzdem ist Lukaschenko, der die Opposition und unabhängige Medien unterdrückt, auch für sie der beste Präsident. Denn auch wenn ihre Rente niedrig sei - sie komme pünktlich. "Es gibt genug Wurst und Brot. Man überlebt und verhungert nicht", sagt Marija Gussakowskaja. "Nur, dass alles eben teuer ist. Aber das ist nicht schlimm, dann kaufen wir eben keine teure Wurst, sondern die billigere."

Schora Narusov kommt ursprünglich aus Aserbaidschan, doch er lebt schon mehr als zehn Jahre in Belarus. Wenn er die Wahl hätte, würde er sich wieder für Belarus entscheiden, sagt er. "Das Wichtigste ist, dass Lukaschenko den Frieden bewahrt", so Narusov. "Solange er Präsident ist, wird niemand Belarus anrühren. Ich weiß nicht, wie es ohne Lukaschenko wäre."

Werte, die ankommen

Ergebnisse unabhängiger soziologischer Studien zeigen, dass viele Menschen auf dem Lande Lukaschenko tatsächlich für den besten Präsidenten halten. Nach einer aktuellen Umfrage unterstützen 47 Prozent der Bevölkerung den Präsidenten. Und die Zustimmung wächst: zwischen Mai und Oktober 2005 ist die Zahl seiner Anhänger um fünf Prozent gewachsen. Ihre Unterstützung für ihn begründen Arbeiter, Rentner und Bauern von Kolchosen meist mit den regelmäßig gezahlten Gehältern und Pensionen, aber auch mit den stabilen Lebensumständen.

Lukaschenkos Erfolg bei den Wählern gehe aber auf etwas ganz anderes zurück, meint der Politologe Walerij Karbalewitsch: Lukaschenko biete die Werte und das gesellschaftliche Modell an, das mit den Werten der Menschen übereinstimme. "Lukaschenko ist dafür, Eigentum in Staatshand zu belassen, Kolchosen zu bewahren und eine starke Staatsmacht aufrechtzuerhalten, ohne demokratische Institutionen, laut der Devise: Im Lande muss es einen Hausherrn geben", erklärt Karbalewitsch. Der Präsident stehe zudem für die Freundschaft mit Russland und den Kampf gegen den Westen. "Diese Werte und Vorstellungen herrschen im Bewusstsein der Wähler vor, die ihn unterstützen."

Aufschwung und Haushaltsüberschuss

Wichtiger als gemeinsame Werte sind jedoch rein wirtschaftliche Faktoren. Derzeit herrscht im gesamten postsowjetischen Raum ein Wirtschaftaufschwung. Lukaschenko stellt das als sein Verdienst dar. Der Aufschwung in Belarus ist aber in erster Linie auf die gute Konjunktur auf dem Markt für Produkte aus der Erdölverarbeitung zurückzuführen. Aufgrund dessen hat sich in Belarus ein Haushaltsüberschuss ergeben, der es Lukaschenko ermöglicht, unter anderem regelmäßig Renten und Gehälter zu zahlen. Die Renten in Belarus gehören in der Tat heute zu den höchsten im gesamten postsowjetischen Raum. Mehr noch: Oft erhalten Rentner mehr Geld als ihre berufstätigen Kinder. Unter diesen Umständen wird Lukaschenko weiter auf die Unterstützung vor allem älterer Menschen zählen können - ein wichtiger Faktor bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen am 19. März 2006.