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„Mazedonien hat eine neue Verfassung – Europa nicht“

8. Dezember 2005

Angelika Beer, Abgeordnete der Grünen im EU-Parlament, hat DW-RADIO gegenüber befürwortet, dass Mazedonien auf dem EU-Gipfel am 15. Dezember den Kandidatenstatus erhält. Der Reformwille in Skopje müsse honoriert werden.

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Angelika BeerBild: AP

DW-RADIO/Mazedonisch: Frau Beer, Sie waren gerade in Mazedonien. Erwarten Sie eine positive Antwort auf dem EU-Gipfel im Dezember?

Angelika Beer: Wir sind erstens dafür, dass es eine klare Antwort geben muss, eine positive vom Rat, genauso positiv wie die, die Olli Rehn von der Kommission empfohlen hat. Zweitens unterstützen wir Mazedonien auf dem Weg dort hin und auch bei den Reformen. Und deswegen habe ich gesagt, dass ich hoffe, am 15. Dezember sagen zu können. Willkommen auf dem nächsten Schritt nach Europa. Alles andere wäre eine politisch falsche Entscheidung mit sehr gravierenden Auswirkungen, negativen Auswirkungen für den gesamten westlichen Balkan.

Zurzeit erlebt die EU Probleme wegen der Finanzplanung der EU. Wird sich das auf die EU-Kandidatur Mazedoniens auswirken?

Die Gefahr, dass es sich auswirkt, hat nicht nur mit der Frage der Finanzen zu tun, sondern die EU ist in einer Krise. Das ist offensichtlich. Gerade auch weil die Verfassung gescheitert ist – vorerst jedenfalls – und wir dort einen neuen Anlauf nehmen müssen. Nur wäre es falsch aufgrund der EU-internen Probleme jetzt den Ländern, die wirklich Fortschritte für sich zu verbuchen haben - z. B. in der Umsetzung des Ohrid-Abkommens in Mazedonien -, diese Länder jetzt den Preis zahlen zu lassen. Das wäre politisch unverantwortlich. Und deswegen sagen wir ganz klar: Mazedonien ist ein positives Beispiel, Mazedonien hat es geschafft, sich eine neue Verfassung zu geben – Europa nicht. Insofern ist es auch eine Bereicherung für Europa, wenn Mazedonien dichter an uns heranrückt, also den Kandidaten-Status bekommt.

Sie kennen die Lage in Mazedonien sehr gut. Sie loben zwar Mazedonien, aber dort ist die Wahlrechtänderung im Gange, dann stehen noch die Verfassungsreformen bevor und die Wirtschaft ist auch nicht so glorreich. Meinen Sie, dass sich das über Nacht bessern wird?

Nein, das wird sich nicht über Nacht bessern und ich gehöre auch nicht zu denjenigen, die die Situation in Mazedonien gut reden und so tun, als ob es nichts Negatives gibt. Aber die Reformen, die bis jetzt durchgeführt worden sind, sind ja nicht nur ein Verdienst der Regierung, sondern der Bevölkerung selbst. Wir müssen jetzt das Zeichen geben, dass wir diesen Reformwillen auch honorieren, insofern, als dass der Kandidaten-Status erteilt wird, um auch Mut zu machen – übrigens nicht nur in Mazedonien, sondern auch in den anderen westlichen Balkan-Ländern.

Sollte es eine positive Antwort am 15. Dezember in Brüssel geben, wie wird es weitergehen?

Es wird sich eigentlich gar nicht so viel ändern. Ich denke, dass Mazedonien erleben wird, was alle anderen Kandidaten auch erleben: Man wird noch mehr gucken, was in dem Land passiert, man wird noch mehr darauf achten, dass demokratische Standards, Minderheitenrechte und andere Sachen wie die Wahlen, die im nächsten Jahr stattfinden, nach internationalen Normen durchgeführt werden. Das heißt, Mazedonien wird unter positiver aber kritischer Beobachtung stehen, weil die EU natürlich bereit ist zu helfen, aber natürlich auch erwartet, dass die Reformen weiter nach vorne getrieben werden. Eine Pause oder einen Stillstand darf es da nicht geben.

Das Interview führte Nada Steinmann

DW-RADIO/Mazedonisch, 6.12.2005, Fokus Ost-Südost