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Wirbel um Aktion der US-Öllobby gegen Kyoto

Rafael Heiling9. Dezember 2005

In Montreal wurde gerade um die Fortsetzung des Kyoto-Protokolls gerungen. Öl-Lobbyisten aus den USA versuchen angeblich, bei europäischen Firmen Stimmung gegen Kyoto zu machen.

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Europas Firmen sollen Front machen gegen die Klimapolitik der EUBild: AP

Für Aufsehen haben eine E-Mail und eine Power-Point-Präsentation gesorgt, die vom European Enterprise Institute (EEI) in Brüssel gekommen sein sollen und die offenbar in die Hände der Umweltschutzorganisation Greenpeace gelangten. "Darin stellt der Klimaskeptiker Chris Horner ein Papier vor, wie man in Brüssel mit amerikanischen Methoden Lobbyarbeit gegen Kyoto machen kann", berichtet Karsten Smid, Klimaexperte bei Greenpeace Deutschland. Das Papier mit dem Titel "The post-2012 climate change debate" sei unter anderem an den Energieversorger RWE in Essen gegangen.

Gelder vom Öl-Riesen

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Chris Horner ist Anwalt, politischer Berater beim EEI und gleichzeitig Mitglied einer konservativen Denkfabrik in den USA, dem "Competitive Enterprise Institute" – es wird vom Ölkonzern Exxon-Mobil finanziell unterstützt, 2004 mit mindestens 270.000 Dollar. "Exxon ist bekannt dafür, dass sie in den USA stark gegen Kyoto argumentiert haben", sagt Stefan Thomas, Fachgruppenleiter beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie. Horner gehört auch der "Cooler Heads Coalition" an, die nach eigenen Angaben "die Mythen der globalen Erwärmung zerstreuen" will.

Smid zitiert weiter aus dem Papier: Horner argumentiere, Klimaschutz sei zu teuer und Atomenergie eine gute Alternative. Er plädiere für eine "European Sound Climacy Policy Coalition" – eine "Koalition für vernünftige Klimapolitik", sprich: gegen eine Fortsetzung des Kyoto-Protokolls.

Koalition gegen Kyoto

Protest Kyoto-Protokoll
US-Gegner fordern von den USA, das Kyoto-Protokoll zu unterzeichnen. Präsident Bush will den Klimaschutz auf andere Weise voranbringenBild: dpa

Dazu sollten sich europäische Unternehmen zusammenschließen, "vor allem Firmen, die sowieso als nicht so engagiert beim Klimaschutz gelten", wie Smid erklärt. Insbesondere RWE werde aufgefordert, seine Beziehungen in Brüssel zu nutzen und Geld zur Verfügung zu stellen. "Die sagen: Wenn jedes Unternehmen 5000 bis 10.000 Euro im Jahr spendet, lässt sich damit in Brüssel schon effektive Lobbyarbeit gegen Kyoto machen." Darauf folgt der Verweis, in den USA hätten diese Methoden ja schon funktioniert. Und so sieht Smid auch "amerikanische Methoden" in Europa einziehen.

In der Mail heißt es laut Greenpeace, Firmen wie der Energieversorger Vattenfall oder die Lufthansa hätten schon Interesse gezeigt. Das dementieren die Unternehmen aber so einhellig wie entschieden: "Barer Unsinn", erklärt Lufthansa-Pressesprecher Stefan Schaffrath gegenüber DW-WORLD. Es habe zwar am 18. Oktober 2005 ein Treffen in Brüssel gegeben, mit hochrangigen EU-Parlamentariern, Unternehmen - und Chris Horner. "Aber da hat man sich nur ausgetauscht, mehr nicht", betont Schaffrath.

Auch RWE hat nach eigenen Angaben Besuch von Horner gehabt, aber nur ein einziges Mal: "Er hat einmal eine Präsentation gegeben", sagt ein RWE-Pressesprecher. "Aber wir haben ihm in keiner Weise Geld gegeben. Er hat seine Meinung vorgetragen, die teilen wir aber nicht." Danach habe RWE den Kontakt abgebrochen. Von Vattenfall heißt es zu den angeblichen Annäherungsversuchen: "Das können wir nicht bestätigen. Wir unterstützen Kyoto und setzen uns für eine Weiterentwicklung ein."

Kritik, aber keine organisierte

Horner selbst bestätigt gegenüber DW-WORLD, dass er einigen Unternehmen eine Kyoto-kritische Präsentation vorgestellt habe. Sein Tenor: Die EU-Staaten hätten die im Protokoll vereinbarten Grenzwerte nicht erreicht, Kyoto verursache hohe Folgekosten. Und die Firmen, die für den Handel mit CO2-Ausstoßrechten einträten, seien zum großen Teil nur auf kurzfristigen Profit aus.

Doch Horner betont auch: Bei der Präsentation, die Greenpeace kritisiere, sei er nur für die ersten Seiten verantwortlich - "keine Ahnung, wer den Rest zusammengesetzt hat". Auch die erwähnte E-Mail habe "mit diesem Anliegen gar nichts zu tun" und für US-Firmen bestimmt gewesen. Außerdem, sagt Horner, habe er als Einzelperson gehandelt und nicht im Namen des European Enterprise Institute. Letztlich habe er die Unternehmen nur beraten wollen, "genau so wie Greenpeace. Und wir sind verwundert, dass manche Interessengruppen das als so unangemessen ansehen."

Vorhaben ohne Früchte

Nach Horners Worten blieben seine Bemühungen aber "fruchtlos". Die Experten hatten damit auch nicht gerechnet. "Es hat ja schon öfter Versuche aus den USA gegeben, auf die europäische Energiewirtschaft Einfluss zu nehmen", sagt Thomas.

Auch Dieter Schmitt, emeritierter Professor für Energiewirtschaft an der Uni Duisburg-Essen, erklärt: "Die Energiewirtschaft hat nicht zu erkennen gegeben, dass sie sich vom Kyoto-Prozess verabschieden will." Er sieht Chris Horners Lobby-Aktion aber als Ansatz für eine Diskussion über die Zukunft des Kyoto-Protokolls. Denn auch der Weg der USA, Klimaschutz vor allem über die Förderung neuer Technologien zu erreichen, sei einen Gedanken wert. "Es gibt da nicht einfach Rechthaben und Nicht-Rechthaben."