Zehn Jahre nach dem Attentat auf Rabin
4. November 2005Es ist der 4. November 1995, ein Samstagabend, nach dem jüdischen Feiertag: Der "Platz der Könige Israels" in Tel Aviv ist voll gepackt mit Menschen. Nicht einfach, um nach dem Ruhetag auszugehen, sondern um für Frieden mit den Palästinensern zu demonstrieren. Sie hören Politiker reden und alle singen zusammen "Schir la Schalom" - "Singt für den Frieden".
Zwei Jahre zuvor, 1993, hat Israel mit der PLO das Oslo-Abkommen unterzeichnet, die Abwicklung des Abkommens geht aber nur mühsam vonstatten. Unter anderem, weil die nationalistische Opposition unter "Likud"-Führer Benjamin Netanjahu alle Register zieht, um das Oslo-Abkommen zu vereiteln, unterstützt von Siedlergruppen in den besetzten Gebieten und von anderen religiös-nationalistischen Fanatikern. Ihnen ist dabei jedes Mittel recht: Ministerpräsident Itzhak Rabin wird als Verräter verunglimpft, Plakate zeigen ihn mit der palästinensischen Kafia auf dem Kopf, andere wieder machen ihn zum "SS"-Mann. Eine regelrechte Hetzkampagne läuft an.
Die letzten Minuten vor dem Attentat
Der 73-jährige Rabin ist kein Freund von großen Feiern, und man hat ihn noch nie in der Öffentlichkeit singen sehen. Diesmal schon. Er steht auf dem "Platz der Könige Israels" und ist zufrieden. Er spürt, dass die Mehrheit der Bevölkerung trotz der Hetzkampagnen hinter ihm steht und dass er in Oslo den richtigen Weg gegangen ist. Den Zettel mit dem Liedtext steckt er in die Brusttasche und macht sich auf den Weg zu dem wartenden Cadillac hinter der Bühne.
Nur wenige Schritte - es ist 21.40 Uhr - da fallen plötzlich zwei Schüsse. Rabin bricht blutend zusammen. Er wird in großer Eile ins Ichilow-Krankenhaus gebracht, wenig später aber erfährt Israel, dass der Ministerpräsident tot ist. Tödlich getroffen von Kugeln aus einer 22 Kaliber Pistole.
Der Attentäter wird gleich gefasst: Jigal Amir, ein 25-jähriger Jurastudent, der dem extrem religiös-nationalistischen Lager angehört und der seit zehn Monaten Pläne geschmiedet hat, wie er Rabin umbringen kann. Denn nur so glaubt der Fanatiker, den Friedensprozess von Oslo stoppen zu können.
Beileid von Arafat
Trotz der Verteufelungen Rabins in letzter Zeit hat niemand in Israel so etwas für möglich gehalten. Auch Rabin selbst nicht. So hat er es immer wieder abgelehnt, eine schusssichere Weste anzulegen, wenn er in die Öffentlichkeit ging. Der ehemalige Generalstabschef aus dem Sechstagekrieg und spätere Verteidigungsminister, ein auch vom Gegner anerkannter Kriegsheld, würde doch nicht Angst haben von Gegnern im eigenen Volk. Wie Unrecht er hat, bezeugt der blutgetränkte Zettel mit dem Text des Friedensliedes, den man später in seiner Jackentasche findet.
Einer der ersten, die ihr Beileid bekunden, ist der zwischenzeitlich ebenfalls verstorbene PLO-Führer Jassir Arafat: "Ich drücke mein Beileid aus gegenüber seiner Frau, seiner Familie, der israelischen Regierung und dem israelischen Volk", sagte er damals.
Was bleibt zehn Jahre nach dem Mord?
Noch wenige Jahre zuvor wären solche Worte des Mitgefühls undenkbar gewesen: 1987 - zu Beginn der Intifada - des Palästinenseraufstandes in den besetzten Gebieten - war Rabin Verteidigungsminister und er wollte dem "Spuk" mit Gewalt ein Ende setzen. Er befahl sogar wörtlich: "Brecht ihnen die Knochen!" Dann aber kommt es 1993 zu den Geheimverhandlungen von Oslo - und Rabin lässt sich überzeugen, dass dies der richtige Weg sei. Obwohl er in Washington bei der Unterzeichnung einräumt, dass es ihm nicht leicht gefallen ist.
Nur im Libanon feiern radikale Gruppen den Tod Rabins, sonst ist man überall bestürzt. Selbst in Ländern, die nicht im Frieden mit Israel sind. Denn man fürchtet, dass die Kugeln des Attentäters nicht nur Rabin getötet haben, sondern auch den Friedensprozess.
Zehn Jahre später kann man feststellen: Es hat tatsächlich viele Rückschritte gegeben, aber auch einzelne Fortschritte - wie etwa Israels Rückzug aus dem Gazastreifen. Aber die Palästinenser haben noch immer keinen eigenen Staat. Es gibt noch immer Terror. Und entscheidende Fragen wie der Status Jerusalems und die Grenzen eines künftigen Palästinenserstaates sind weiterhin völlig ungelöst.