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Krieg den Pornos

Patrick Tippelt, Bangkok31. Oktober 2005

Thailands Premierminister scheint genug zu haben von Politik. Er hat ein neues Feld gefunden, auf dem er sich profilieren will: Thailand soll zur pornofreien Zone werden.

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Die ersten Internet-Cafés sind bereits dicht. Ein neuer Krieg beginnt in Thailand – der Krieg gegen Porno. Einen Monat lang will Thailands Premierminister Thaksin Shinawatra gegen alles Nackte kämpfen. Am 1. Dezember startet er einen Angriff gegen „sozial Auffällige“, die sich im Internet Pornos beschaffen, gegen den pulsierenden Schwarzmarkt für Pornofilme auf den Straβen Bangkoks, selbst gegen Internet-Chats.

Vielleicht hat Thaksin einfach keine Lust mehr auf das dröge Politisieren, das die Zustände in Thailand fordern: die Unruhen im muslimischen Süden des Landes, die fast täglich für Tote sorgen; Kartelle, die über den Norden Thailands das Land mit billigen Drogen überschwemmen; der nicht endenwollende Korrputionswahn der Polizei; die Armut und die Mafia; und das ewige Meckern seiner Kritiker, das über allem schwebt.

Armut ist out

Der Premier scheint gern Kriegsherr zu spielen. Immer wieder ruft er zu Kämpfen gegen Probleme auf, die auch andere Länder der Dritten Welt kennen. Jüngst gab er bekannt, dass er bis 2008 alle Slums Bangkoks auszuradieren plant. Für 1,4 Millionen arme Familien sollen Sozialwohnungen gebaut werden. Die Resonanz von nichtstaatlichen Organisationen und der Armen selbst darauf fiel negativ aus. Unrealistisch sei die Idee, eine bloβe Augenwischerei. Derweil kämpfen zurzeit 3000 Familien von Slumbewohnern vor Gericht – sie sollen Platz machen für kommerzielle Mega-Projekte.

Schlüpfrige Grenzen im Goldenen Dreieck

Vier Drogen-„Kriege“ führte Thailand in den letzten Jahren. Über 2000 Menschen starben, nicht wenige von ihnen auβergerichtlich getötet – von Polizisten und Soldaten. Die Aufräumaktionen heimsten Thaksin allerhand Kritik ein. Dabei wurden im ersten Halbjahr 2005 über 11 Tonnen Marijuana und fast 900.000 Methamphetamin-Pillen am Grenzdurchgang nach Vientiane, der laotischen Hauptstadt, konfisziert – viel weniger als im Jahr davor. Und erst im September wurden über 700 Kilogramm Heroin, die von einem burmesischen Syndikat nach Thailand geschifft wurden, sichergestellt. Dieses Kartell ist nur eines von vielen. Ein Vielfaches an Drogen gelangt weiterhin über die schlüpfrigen Grenzen im Goldenen Dreieck ins Land. Drogen aller Art sind hier noch immer billig zu haben, an fast jeder Straβenecke, selbst von Taxifahrern.

Meldung per Mausklick

Nun also ist der Porno-Schmutz dran. Weg von der Politik, hin zu den schlicht sozialen Problemen. Mit Hilfe des neuen Ministeriums für Informations- und Kommunikationstechnologien will Thaksin die virtuelle Welt aufräumen. Am 7. November wird mit den 50 beliebtesten Webseiten Thailands ein Abkommen unterschrieben. Internetnutzer dürfen dann alles, was sie für ungebührlich halten, per Mausklick an die Behörde melden. Schon fordern Übereifrige, dass Internet-Nutzer von nun an ihre Personalien melden müssen, bevor sie sich einloggen.

Auch in der wirklichen Welt wird einen Monat lang zugegriffen. Besuchte man bisher den Nachtmarkt von Silom, dem pulsierenden Vergnügungsviertel Bangkoks, schwatzten findige Händler einem kopierte Porno-DVDs auf – unter den wachsamen Blicken von Polizisten. Die hiesige Auswahl ist legendär. Selbst Pädophile brauchen nicht lange nach Filmen ihres Geschmacks zu suchen. Immer wieder gab es Razzien auf diesem wirklich schwarzen Markt. Und die Händler standen tags darauf an derselben Stelle, mit gröβerer Auswahl.

Pornografie hat Tradition in Thailand. Wer Pornos braucht, weiß, wo er sie bekommt. Das wird auch ein 30-tägiger Krieg nicht ändern. Eins aber scheint Thaksin mit seiner neuesten Idee zu schaffen – bisher fand sich keiner, der die Aktion kritisieren wollte. Was für die Kampagne zu sprechen scheint. Oder schlicht gegen die Dummheit dahinter.