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Russlands Schatten über Deutschland-Besuch von Adamkus

Ingo Mannteufel25. Oktober 2005

So unbedeutend der kleine EU-Staat Litauen an der Ostsee erscheinen mag, beim Besuch seines Präsidenten Adamkus geht es um die deutsche Energiesicherheit und die künftige deutsche Russlandpolitik.

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Ostseepipeline soll sibirisches Gas nach Deutschland bringenBild: dpa
Valdas Adamkus
Litauens Präsident Valdas AdamkusBild: AP

Der litauische Präsident Valdas Adamkus besucht das politische Berlin mit einem klaren Anliegen, das nicht nur für den neuen EU-Staat an der Ostsee von geopolitischer Bedeutung ist. Vielmehr spricht er auch für eine Reihe anderer ostmitteleuropäischer Staaten. Denn der litauische Präsident möchte bei seinen Gesprächen die künftige deutsche Regierung von der geplanten "Nordeuropäischen Gaspipeline" durch die Ostsee abbringen.

Stein des Anstoßes: Ostseegaspipeline

Schröder und Putin die dicksten Freunde
Gerhard Schröder und Vladimir PutinBild: AP

Im Beisein von Bundeskanzler Schröder und Russlands Präsident Putin haben am 8. September 2005 Vertreter des russischen Gaskonzerns Gasprom und der deutschen Energiekonzerne Eon-Ruhrgas und BASF eine Absichtserklärung zum Bau der so genannten "Nordeuropäischen Gaspipeline" (NEGP) unterzeichnet. Diese rund 1200 km lange Unterwasserleitung auf dem Grund der Ostsee soll vom russischen Wyborg nach Greifswald führen und ab 2010 das russische Gaspipelinenetz mit dem deutschen Leitungsnetz verbinden - unter Umgehung der traditionellen Transitländer Ukraine, Polen und Belarus.

Die wirtschaftlichen und politischen Vorteile der NEGP für Russland sind offensichtlich: Bei Verhandlungen über Gaspreise – im Fall der Ukraine und Belarus gegenwärtig noch unter Weltmarktniveau – sowie Transitgebühren würde Moskaus Position gestärkt. Ebenso könnte Russland die über Land führenden Leitungen unterbrechen und mit dem Gashahn politischen Druck ausüben, ohne dass der Energiepartner Deutschland in Mitleidenschaft gezogen würde. Roland Götz, Russland-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, bezeichnete daher in einer aktuellen Studie die "Ostseegaspipeline einen [russischen] Schachzug im Wettstreit um sein westliches Vorfeld, denn das ökonomische Gewicht der Transitstaaten wird gemindert, ihr Spielraum für potentiell gegen Russland gerichtetes politisches Agieren eingeschränkt".

Aus deutscher Sicht erhöht eine weitere Pipeline die Exportkapazitäten und die Zahl der Versorgungsrouten. Die NEGP wird daher in Berlin als ein Beitrag zur europäischen Energiesicherheit gesehen.

Alternativrouten und ökologische Befürchtungen

Gegen die NEGP spricht aber nicht nur die ökologische Befürchtung, dass ein Leck in einer Unterwasserleitung schwerer zu entdecken ist und im Meer auch einen größeren Schaden anrichtet. Insbesondere ostmitteleuropäische Kritiker der NEGP führen ins Feld, dass auch die vorhandenen zwei Pipeline-Routen durch die Ukraine, Belarus und Polen modernisiert und in ihrer Kapazität erweitert werden könnten. Ebenso haben Polen, die Ukraine und die baltischen Staaten eine "Bernstein-Pipeline" genannte Land-Route von Russland aus durch Lettland und Litauen nach Polen vorgeschlagen – angeblich zu geringeren Kosten. Genau diese Alternativrouten und Argumente gegen die Ostseepipeline dürfte der litauische Präsident Adamkus bei seinen Gesprächen in Berlin vorbringen.

Adamkus Hoffnung ruht auf Merkel

Der litauische Präsident scheint auch die Hoffnung auf eine Änderung der deutschen Haltung noch nicht aufgegeben zu haben. Vergangenen Freitag sagte er in einem Interview im litauischen Fernsehen: "Obwohl das Abkommen auf dem Papier bereits existiert, wurde mit der Arbeit zu seiner Verwirklichung noch nicht begonnen. Das bedeutet, dass es noch möglich ist, diese Frage neu aufzurollen." Die Hoffnung von Adamkus ist nicht ganz unbegründet, denn die designierte Bundeskanzlerin Merkel hatte vor der Bundestagswahl leichte Kritik an der Ostseegaspipeline geäußert.

Eine völlige Abkehr vom deutsch-russischen Prestigeobjekt NEGP erscheint jedoch schwer vorstellbar, zumal bei einer künftigen schwarz-roten Regierungskoalition in Deutschland. Eine stärkere Einbeziehung der ostmitteleuropäischen Staaten in die deutsch-russische Energiepartnerschaft ist jedoch möglich. Schließlich haben Merkel und ihr außenpolitischer Beauftragter Wolfgang Schäuble vor den Wahlen betont, dass sie sich im Falle einer Regierungsverantwortung "dafür einsetzen, dass die Energiebeziehungen zwischen Russland und dem Westen nicht an Polen und den baltischen Staaten vorbeigehen."