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Bis in die kleinste Jurte - Bildung in der Mongolei

12. April 2006

"Lernen, lernen und nochmals lernen" - dieser Leitspruch hängt in fast jeder Schule der Mongolei an der Wand. Bildung ist den Mongolen wichtig, egal ob in der Stadt oder auf dem Land.

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Ein Schüler bei Ulan BataarBild: AP

Butidma ist eine gute Schülerin. Ihre schwarzen Augen ruhen auf dem Schreibheft. Langsam und gewissenhaft malt die Siebenjährige kyrillische Buchstaben zwischen die Linien. Sie geht in die erste Klasse einer Grundschule im Westen der Hauptstadt Ulan Baatar.

Schule in der Hauptstadt

Butidmas Eltern geben viel dafür, dass ihre älteste Tochter zur Schule geht. Zwar verlangt der Staat keine Schulgebühren, aber Butidma braucht eine Schuluniform mit weißer Bluse, Schulbücher und Schreibhefte. Neben dem Geld dafür opfern die Eltern auch Zeit und Nähe mit ihrer Tochter. Denn wie viele ihrer Klassenkameraden ist Butidma vom Land in die Hauptstadt gezogen: aus der westmongolischen Steppe, wo ihre Eltern als Nomaden Vieh züchten, zu ihrer Tante in die Bergwerk-Siedlung Orbit. "Die Schulqualität ist besser dort" sagt Butidmas Mutter Baygal, "deshalb haben wir unsere Tochter dahin geschickt". Viele Familien tun das. Auffällig ist, dass oft die Ausbildung der Mädchen vorgeht. Die Jungs müssen früh arbeiten. Viele beenden die 10jährige Schulzeit nicht. Und von den Studenten an den mongolischen Hochschulen sind 70 Prozent junge Frauen.

Schule in der Provinz

Batsaichan und Nyamzul gehen in der Kleinstadt Arvaiheer zur Schule. Sie träumen davon, später in der Hauptstadt zu studieren - Wirtschaft und Medizin. Dabei sind die Schulen in Arveiheer für die ländlichen Verhältnisse sehr gut ausgestattet, die meisten Gebäude wurden in den vergangenen Jahren mit internationalen Hilfsmitteln renoviert. Probleme bereiten nur die vielen Neuzugänge aus den umliegenden Regionen. An einer der insgesamt drei Schulen in der 20.000-Einwohner-Stadt lernen 3200 Schüler. Das seien "dreimal so viele" wie eigentlich vorgesehen, sagt die Schulleiterin. "Wir unterrichten in drei Schichten – morgens, mittags und abends." Trotzdem gebe es "zu wenig Räume" bei "zu vielen Schülern" in einer Klasse: "manchmal 45 Kinder. Das beeinträchtigt die Schulqualität," präzisiert sie. Bei soviel Andrang helfen auch die an der besten mongolischen Uni in Ulan Baatar ausgebildeten Sprachlehrerinnen für Russisch, Japanisch oder Englisch nicht viel.

Schule unterwegs

Von Englischunterricht und überfüllten Klassenräumen kann Batmaa nur träumen. Sie ist Lehrerin auf dem Land und froh, wenn die Nomadenkinder überhaupt zum Unterricht erscheinen. Dabei macht Batmaa es ihnen sehr leicht. Sie geht zu den Familien nach Hause: in die kreisrunden Zelte aus Holzstangen und Wollfilz, die man Jurten nennt. Batmaa ist eine "mobile" Lehrerin für diejenigen Kinder, die aus dem normalen Schulsystem herausfallen, weil sie ihren Eltern und den Tieren durch die mongolische Steppe folgen. Damit sie während der Schulferien den Stoff aufholen, gibt ihnen Batmaa Hausaufgaben in Rechnen, Lesen, Schreiben und Malen. "Wenn die Kinder ihre Aufgaben gut gemacht haben, kommen sie lächelnd zum Unterricht, aber wenn sie ihre Aufgaben nicht gemacht haben, verstecken sie sich", sagt Batmaa.

Schule fürs Leben

Unter dem Strich würden die Nomadenkinder gern lernen und die Mütter würden das auch gern sehen, sagt Batmaa Nur lassen das die Geldsorgen der Eltern und die weiten Entfernungen nicht immer zu. "Am Schlimmsten ist es im März und April", sagt eine Mutter. Dann gebe es kaum Nahrung für Tiere und Menschen und außerdem komme man manchmal kaum zum Schlafen, "weil dann so viele Lämmchen geboren werden." Noch heftiger sei es im Schneesturm. Da bräuchten sie die Hilfe ihrer Kinder. "Wenn die Kinder sechs oder sieben sind, können sie schon richtig mithelfen und ausgerechnet dann sollen sie in die Schule gehen."

Und noch eines spricht oft gegen den Schulbesuch: "Nach einer normalen 10. Klasse haben Schüler keinen Beruf, sie sind quasi arbeitslos, wenn sie nicht weiter studieren", beklagt der Lehrer Sosorbaram. Und das in einem Land, in dem Straßen, Häuser und Brücken gebaut, und nicht nur geplant werden müssen. In einer Zeit, in der die meisten Konsumgüter aus China importiert werden, anstatt einen Teil davon im eigenen Land von Fachkräften herstellen zu lassen. Sosorbaram kümmert sich deshalb als Leiter der Berufsschule in Arvaiheer genau um die Ausbildung dieser Fachkräfte. 850 Schüler lernen hier, einige von ihnen nutzen das angeschlossene, kostenlose Internat. Sie haben Computer- und Englischunterricht, viel Praxisbezug und können an der Schule sogar ihren Führerschein machen. Am Ende sind sie besser vorbereitet auf das Leben nach der Schule als die Absolventen der viel gelobten Schulen in der Hauptstadt Ulan Baatar, findet Sorsorbaram.