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Medikamente direkt ins Haus

Fritz Tänzer22. Juni 2005

Die Bilanz nach anderthalb Jahren Versandapotheken in Deutschland ist zwiespältig: Ihre Zahl wächst ebenso wie die der Online-Bestellungen. Um die Beratung steht es jedoch laut Stiftung Warentest schlecht.

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Man erhält sie in der Apotheke: offline und onlineBild: Bilderbox

2003 eröffnete in Deutschland die erste Versandapotheke. Das Angebot ist dort identisch mit dem in niedergelassenen Apotheken. Rezeptpflichtige Produkte gehen nur in den Versand, wenn auch die ärztliche Verordnung vorliegt, die vorher also per Post eingeschickt werden muss.

Bestellen ist ganz einfach

Attraktiv für die Kunden sind Versandapotheken deshalb, weil sie meist günstigere Preise haben. Für nicht verschreibungspflichtige Medikamente bezahlt man bei der Versandapotheke im Schnitt 30 Prozent weniger als in einer regulären Apotheke, teilt der Bundesverband deutscher Versandapotheken mit. Die Preisnachlässe ergeben sich, weil das Patientengespräch in der Apotheke entfällt und so Zeit und Fachpersonal gespart werden kann.

Jeder vierte Kunde ist dem Verband zufolge 66 Jahre und älter, mehr als die Hälfte der Kunden ist älter als 50. Nicht jeder bestellt über das Internet, viele nutzen das Telefon, doch sind mittlerweile auch in den Zeitschriften der Versicherungen Bestellformulare zu finden, die dann eingeschickt werden müssen.

Was Stiftung Warentest sagt

Garantiert wird auch, dass man bei der Bestellung jederzeit von einer pharmazeutischen Fachkraft beraten wird. Diese Beratung ist oftmals aber alles andere als zufrieden stellend, wie die Stiftung Warentest herausfand. Schlechte, sogar teilweise falsche Beratung und dazu lange Lieferzeiten waren das Ergebnis ihres Tests.

Trotzdem vergrößert sich der Umsatz der Versandapotheken nach Verbandsangaben konstant. Bis zu 1000 Bestellungen am Tag sei bei einigen keine Seltenheit. Das mache den Handel mit Medikamenten attraktiv. Sogar klassische Versandhäuser überlegten bereits, ob auch sie Medikamente in ihr Angebot aufnehmen sollen.

Kleines Stück vom großen Kuchen

Die Firma "DocMorris" aus den Niederlanden ist die erste Versandapotheke in Europa und auch die umsatzstärkste. Seit Juni 2000 hat sie einen Gesamtumsatz von 260 Millionen Euro erzielt und über acht Millionen Arzneimittelpackungen verkauft. 630.000 Kunden sind bisher registriert, Tendenz steigend. In Deutschland gibt es 1034 Versandapotheken.

In Deutschland wurden im Jahr 2004 mit Medikamenten 32,5 Milliarden Euro umgesetzt, 2003 waren es 33,6 Milliarden. Die letzten Gesundheitsreformen haben auch bei den Apothekern Spuren hinterlassen. Da stört insbesondere die Konkurrenz aus den Nachbarländern. In Deutschland dürfen auf verschreibungspflichtige Medikamente keine Preisnachlässe gewährt werden. Das ist in Holland völlig anders, so dass manche Patienten gleich eine Versandapotheke jenseits der Grenze suchen.

Schwieriger Schritt

Zurzeit überlegen immer mehr Apotheker, ob sie ihre betretbare Apotheke um eine virtuelle erweitern sollen. Der Bundesverband Deutscher Versandapotheken nennt als Voraussetzungen eine professionelle IT- und Logistik- Infrastruktur, ein pharmazeutisches Call-Center und natürlich die notwendige Kapitalausstattung.

Die niedergelassenen Apotheker reagieren zurückhaltend auf die neue Entwicklung. Sie setzen auf das bewährte System des Hausapothekers. Im Interview mit DW-WORLD sagte Christian Traupe vom Apothekerverband Nordrhein: "Wir sind der Aufassung, dass die Patientenversorgung vor Ort die bessere Variante ist. Die direkte Betreuung und Beratung durch den Apotheker dient dem Patienten mehr."

Die niedergelassenen Apotheker hätten wenig Grund, sich vor der neuen Konkurrenz zu fürchten. Deren Anteil am Gesamtumsatz mit den Kassenrezepten habe zuletzt lediglich 0,18 Prozent betragen. In den Versandapotheken sehen sie einen "vorübergehenden Hype", der sich wieder legen werde. Christian Traupe geht jedoch davon aus, dass Präparate wie zum Beispiel Potenzsteigerungsmittel bevorzugt über den Versandhandel gekauft werden, um auf diese Weise anonym zu bleiben.

Rückgang

Doch ganz ungenutzt wollen auch die niedergelassenen Apotheker das Internet nicht lassen. Unter www.aponet.de können Patienten Medikamente vorbestellen. In Notfällen werden die Medikamente durch geschultes Personal auch zum Patienten gebracht, so dass bettlägerige Patienten die Medikamente unter fachkundiger Aufsicht einnehmen. Zudem, so stellt Christian Traupe fest, sei dieses Angebot schneller, da die Apotheken meist noch am selben Tag auslieferten, während die Versandapotheken drei bis vier Werktage bräuchten, bis das bestellte Medikament beim Patienten ist.

Wie die Entwicklung weitergehen wird, ob sich der Medikamentenhandel überwiegend ins Internet verlagern wird oder demnächst auch Drogerien Medikamente anbieten werden, ist noch offen. Die Anzahl der Apotheken-Betriebserlaubnisse hat sich in Deutschland 2004 verringert: 20.760 anstatt 21.305 im Jahr 2003. Grund dafür sei, so Christian Traupe, aber nicht der wachsende Versandhandel, sondern vielmehr die Unsicherheit junger Apotheker angesichts weiterer Änderungen im Gesundheitssystem und erwarteter Gewinnrückgänge.