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Sachsen hat die dynamischste Wirtschaft

Kyle James (mm)12. Oktober 2005

In einer Studie zur Entwicklung in den Bundesländern konnte Sachsen einen guten ersten Platz belegen. Das Land zog damit nicht nur an den Ostnachbarn vorbei, sondern ließ auch die alten Bundesländer stehen.

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Bild: dpa

Bisher war Stirnrunzeln, Stöhnen und Resignation angesagt, wenn über die wirtschaftlichen Verhältnisse der neuen Bundesländer gesprochen wurde. Eine neue Studie läutet jetzt eine Trendwende ein: Sachsen zog in der Entwicklung einiger wichtiger Wirtschaftsindikatoren auch an den größeren und reicheren Bundesländer im Westen Deutschlands vorbei.

Deutschlandflagge Aufbau Ost
Resignation beim Aufbau OstBild: AP

"Wir wollten zeigen, was sich tut, was die Länder tun, um sich zu entwickeln", sagt Jens Walter, Sprecher der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM). In Zusammenarbeit mit dem Magazin "Wirtschaftswoche" hatte die Initiative eine vergleichende Studie durchgeführt, um zu untersuchen, "welche Maßnahmen auch kleinere Bundesländer mit Anstrengungen schaffen, um im Dynamikranking nach vorne zu kommen und die Großen hinter sich zu lassen."

Keine Überraschung am Ende der Rangliste

Während Sachsen die Rangliste überraschend anführt, finden sich auf den hinteren Plätzen die bekannten Kandidaten: Berlin mit wenig Industrie und einer hohen Verschuldung; Brandenburg, das einige Wirtschaftspleiten in den letzten Jahren verkraften musste, und Mecklenburg-Vorpommern, das unter geographischer Isolation, niedriger Bevölkerungsanzahl und einer schwachen Infrastruktur leidet.

Die INSM-Studie bezieht sich auf insgesamt 30 verschiedene Kriterien. In die Analyse der Entwicklung der Jahre 2002 bis 2004 gingen fünf Indikatoren ein: Arbeitsmarktentwicklung, Wohlstand, Wirtschaftsfreundlichkeit, Infrastruktur und Wertentwicklung der Unternehmen.

Inder an der TU Chemnitz
Bild: dpa

Sachsen konnte einen guten Vorsprung vor Rheinland-Pfalz und Niedersachsen erzielen. Bayern, immerhin beim Wohlstand auf Platz eins, schaffte es in der dynamischen Rangfolge nur auf Platz vier, fast zehn Punkte hinter Sachsen. Thomas Jurk, der sächsische Wirtschaftsminister, fühlte sich geehrt. "Wir bieten eine solide wirtschaftliche Grundlage, attraktive Forschungsbedingungen und hochqualifizierte Arbeitskräfte. All das führte zu unserem Erfolg."

Allerdings sind die Autoren der Studie nicht vollkommen unabhängig. Die "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" wurde 2000 von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie gegründet. Für die Studie wurden Wissenschaftler des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) beauftragt. Das IW hat in der Vergangenheit vor allem wirtschaftsfreundliche Analysen veröffentlicht und sich in der Lobbyarbeit für stärkere Reformen von Arbeitsmarkt und Wohlfahrtsstaat engagiert.

Sonderfall Sachsen

100 Jahre Auto in Chemnitz-Zwickau Gerhard Schröder
Bundeskanzler Gerhard Schröder bei einer Festveranstaltung im Werk Zwickau/Mosel der Volkswagen Sachsen GmbHBild: AP

Sachsen ist ein sehr spezieller Fall. Schon in der ehemaligen DDR war das Land mit seiner Automobil- und Mikroelektronikindustrie eine wirtschaftlich starke Region. Das hatte geholfen, den Fall der Mauer und die Wiedervereinigung besser zu überstehen als andere.

Durch eine engagierte Firmenansiedlungspolitik und eine Vielzahl gut ausgebildeter Arbeitskräfte konnte die sächsische Landesregierung nicht nur BMW, Porsche und VW, sondern auch den Computerchiphersteller AMD in die Region ziehen. Eine wichtige Rolle spielten dabei auch die städtischen Zentren Dresden und Leipzig.

Flusslandschaft Uecker-Randow-Kreis
Ruhig fließt dieser Bach zwischen Wiesen und Feldern bei Marienthal in der Nähe von Pasewalk. Das Gebiet wird als Uecker-Randow-Kreis bezeichnet. +++(c) dpa - Report+++Bild: dpa - Report

Andere Regionen können da nicht mithalten. Etwa Mecklenburg-Vorpommern, das auf dem letzten Platz der Studie landete. Weit entfernt vom industriellen Zentrum Ostdeutschlands ist das Land eher bäuerlich als städtisch geprägt, mit nur wenigen großen Städten und Autobahnen.

Deutschland bleibt getrennt

"Die Studie zeigt, dass es in Deutschland immer noch eine Mauer gibt, nämlich eine wirtschaftliche", sagt Jens Walter von der INSM. "Und die verläuft von Ost nach West zwischen den Vorreitern Sachsen und Thüringen und den anderen Ländern, den eher schwachen im Norden, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern." Sachsens Erfolg zu kopieren sei nur schwer möglich, erklärt Walter, da es dafür kein Patentrezept gäbe.

Der Sprecher des Wirtschaftsministeriums von Mecklenburg-Vorpommern, Gerd Lange, beklagte, dass die Analyse der Jahre 2002 bis 2004 eine besonders schwierige Zeit für das Bundesland beschreibe. "Die Lage hat sich verbessert, die Arbeitslosigkeit sinkt und wir sind dabei uns zu erholen", sagt Lange. Man versuche, die industrielle Grundlage abwechslungsreicher zu gestalten und sich stärker auf Tourismus, Gesundheitsangebote und auf die Nahrungsmittelindustrie zu konzentrieren. Im Dezember 2005 soll eine neue Autobahn gebaut werden, um die Infrastruktur der Region zu stärken und mehr Investoren anzuziehen.

Beim Wohlstand hinkt der Osten hinterher

Kreis Demmin hat zweihöchste Arbeitslosigkeit in Deutschland
Kreis Demmin hat zweihöchste Arbeitslosigkeit in Deutschland Am Rand des Marktplatzes von Demmin, der von Plattenbauten umgeben ist, sitzen am 17.03.2004 Jugendliche, die in einer Berufsschule für Kfz-Techniker in der Kreisstadt an der Peene lernen. Arbeit hat in der Region Seltenheitswert. Der Kreis Demmin hat hat nach dem an der polnischen Grenze gelegenen Uecker-Randow-Kreis mit 29,5 Prozent die zweithöchste Arbeitslosigkeit in Deutschland. Das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern hat im Februar bei den Arbeitslosenzahlen erneut die rote Laterne der Bundesländer übernommen. Saisonbedingt stieg die Zahl der Erwerbslosen von Januar auf Februar um 4700 auf 195500. Die Quote erhöhte sich von 21,2 Prozent im Januar auf 21,8 Prozent und war damit fast doppelt so hoch wie der Bundesdurchschnitt von 11,1 Prozent. Foto: Jens BüttnerBild: dpa

Nur beim Wohlstand hatte auch Sachsen keine Chance gegen Bayern und die anderen alten Bundesländer. In diesem Bereich bleiben weiterhin alle Länder Ostdeutschlands hinter dem Westen zurück. Nach den Autoren der INSM-Studie haben die neuen Bundesländer noch einen langen Weg vor sich, bis sie die West-Länder einholen werden. Das könnte einige Generationen dauern, schätzt Jens Walter.

"Bayern einzuholen wird noch eine Weile dauern", sagt auch Sachsens Wirtschaftsminister Jurk. "Aber es gibt auch schon Stadtstaaten, mit denen wir in bestimmten Punkten mithalten können. Und das ist doch gar nicht so schlecht."