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Fußball-WM stößt Investitionen in Indien an

Ana Lehmann4. Oktober 2005

Die meisten Menschen im indischen Tamil Nadu haben noch nie ein Profi-Fußballspiel gesehen. Von der WM 2006 sollen sie trotzdem profitieren: durch das Projekt "Green Goal" des DFB.

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Stand Pate für "Green Goal": Bundesumweltminister Jürgen TrittinBild: dpa

Die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 soll klimaneutral werden, sagen die Organisatoren des Deutschen Fußball-Bundes. Konkrete Umweltziele haben die Verantwortlichen bereits festgelegt: Weniger Müll in den Stadien, weniger Wasser, weniger Stromverbrauch. Doch das wichtigste Anliegen des DFB ist der Klimaschutz.

Investitionen gegen Abgase

Abgas
Die WM stellt Deutschland vor dicke LuftBild: Bundesumweltministerium

Wenn im kommenden Jahr rund drei Millionen Besucher zu den Spielen der Fußball-Weltmeisterschaft nach Deutschland reisen, entsteht unvermeidbar mehr Verkehr auf den Straßen. "Experten haben ausgerechnet, dass etwa hunderttausend Tonnen Abgase zusätzlich in die Luft geblasen werden", erklärt Jens Grittner vom DFB-Organisationskomitee. Das Komitee hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Abgase an anderer Stelle durch Investitionen zu kompensieren. Die Lösung heißt Klimaneutralität und mit seinem Engagement in diesem Bereich nimmt der Deutsche Fußball-Bund eine Vorreiterrolle ein. "Das hat es so bisher bei noch keiner vorangegangenen Fußball-Weltmeisterschaft gegeben", sagt Grittner.

Im Kyoto-Protokoll, einer zwischenstaatlichen Vereinbarung zum Schutz des Klimas, wurde die Möglichkeit festgelegt, dass Industrieländer ihre Treibhausgasemissionen ausgleichen können, wenn sie in Klimaschutzprojekte in den Schwellen- oder Entwicklungsländern investieren. Auf diesem "Clean Development Mechanism" basiert auch das Klima-Projekt der deutschen WM-Organisatoren. Christian Hochfeld von der führenden deutschen Umweltforschungs-Einrichtung, dem "Öko-Institut", erklärt: "Damit gelingen gleich zwei Dinge: man tut auf der einen Seite etwas für den Klimaschutz und auf der anderen Seite auch etwas für die Entwicklungsländer." Aufbauhilfe vor Ort lasse sich besonders gut durch Klimaschutzmaßnahmen und die Investition in saubere Energien unterstützen.

Gülletank
Biogas-Anlagen sollen bald in Tamil Nadu zum Alltagsbild gehörenBild: AP

Das Öko-Institut hat den Deutschen Fußball-Bund beraten und bei der weltweiten Suche nach einem geeigneten Projekt geholfen. Im indischen Tamil Nadu stieß man auf die Selbsthilfeorganisation "Women for Sustainable Development", die sich für Klima- und Ressourcenschutz einsetzt. Zusammen wollen die Partner dort Biogasanlagen errichten und so rund 700 Familien ermöglichen, umwelt- und gesundheitsschonender zu kochen.

Ofen aus für offene Feuerstellen

"Ein großes Problem, insbesondere auf dem Land in Indien, ist nämlich das Kochen mit Kerosin oder nicht nachhaltig gewonnenem Holz an offenen Feuerstellen", sagt Hochfeld. Daraus ergeben sich zwei Schwierigkeiten. Zum einen werde das Klima nachhaltig beeinträchtigt. Noch schlimmer als die Auswirkungen auf das Klima sei aber die Tatsache, dass die Ruß- und Rauchentwicklung, die beim Kochen in den Hütten entsteht, zu Lungen- und Atemwegserkrankungen führt.

Lagerfeuer
Auf Dauer gesundheitsschädigend: offenes FeuerBild: Illuscope

In Indien sterben letztlich mehr Menschen an Lungen- und Atemwegserkrankungen als an Malaria. "Es ist also ein sehr dringliches Problem, was gerade auch durch diese gesundheits-gefährdenden Kochweisen verursacht wird", sagt Hochfeld.

Die Biogas-Anlagen sollen dem nun Abhilfe schaffen. Mit ihrer Hilfe lässt sich auf einfache Weise aus Kuhdung Gas herstellen. Dieses Gas strömt dann durch eine Kunststoffleitung zum Kochherd und verbrennt geruchlos und qualmfrei. Das erspart den Bauernfamilien den Kauf von teurem Kerosin und stundenlanges Schleppen von Brennholz aus den Wäldern, die vom Kahlschlag bedroht und obendrein vom Tsunami beschädigt sind.

Folglich verpestet auch kein Rauch mehr die Lehmhütten. Die Atmosphäre wird geschont. Die Biogaskocher tragen damit zum Schutz des globalen Klimas bei und auf lokale Holzressourcen muss nicht zurückgegriffen werden. "Doch wir wollen auch über den Klimaschutz hinaus den Menschen vor Ort helfen, ihr Leben neu zu beginnen", betont Jens Grittner vom DFB. Es gehe darum, nicht nur einen Beitrag zur Klimaneutralität zu leisten, sondern insbesondere in einer Region, die bekanntermaßen vom Tsunami ziemlich verwüstet ist, sinnvolle Hilfeleistungen zu bieten.

Die Kuh gibt's gratis dazu

Nach dem Seebeben Indien
Auch Tsunami-Opfern soll geholfen werdenBild: AP

Daher werden beim Bau der Biogas-Anlagen gleichzeitig Häuser und Hütten instand gesetzt. Wer keine Kuh besitzt, soll zudem von den Deutschen eine erhalten. "So lässt sich sicherstellen, dass die neuen Anlagen auch dauerhaft in Betrieb bleiben und dass die Menschen ausreichend mit Milch versorgt sind", erklärt Hochfeld.

Klimaschutz und Entwicklungshilfe bräuchten also nicht immer High-Tech, betonen die Experten. Viel wichtiger sei es, die Maßnahmen an die Bedingungen vor Ort und die Bedürfnisse der Menschen anzupassen. Eine halbe Million Euro will das WM-Organisationskomitee für die Biogas-Anlagen in Indien bereitstellen und damit ein Drittel der, bei der Fußball-Weltmeisterschaft entstehenden Abgase ausgleichen. Partner für weitere Projekte werden noch gesucht, damit das Versprechen völlig klimaneutraler Spiele auch wirklich eingehalten werden kann.