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"Eine Chance zur Vertiefung der Reformen in Albanien"

15. September 2005

Der Leiter des Albanischen Medieninstituts in Tirana, Remzi Lani, spricht im Interview mit DW-RADIO über die Rolle von Premier Berisha, Erwartungen an die neue Regierung und was diese auf keinen Fall tun darf.

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Interview mit DW-RADIOBild: DW

DW-RADIO/Albanisch: Herr Lani, was erwarten Sie von der neuen Regierung unter Premierminister Sali Berisha?

Remzi Lani: Der Kampf gegen Korruption war das Hauptthema von Berisha. Daher sehe ich darin eine Chance, dass die Reformen der Wirtschaft und der Institutionen vertieft werden. Denn natürlich ist eine funktionierende Demokratie die beste Grundlage, um Korruption zu verhindern. Für eine rechtsgerichtete politische Kraft wäre ein starkes soziales Programm eigentlich untypisch. Dennoch ist es klar, dass wir noch immer ein Land mit sehr vielen armen Menschen sind. Man sieht das vielleicht nicht so drastisch in Tirana, aber sobald man in Albanien herumfährt, wird es offensichtlich. Insofern ist eine starke soziale Komponente im Regierungsprogramm willkommen.

Welche Hindernisse erwarten Sie bei der Umsetzung von Berishas Regierungsprogramm?

Die größten Hindernisse bei der Umsetzung des Regierungsprogramms werden auf den Zustand des Landes zurückzuführen sein. Die Wirtschaftssituation ist nicht die Beste. Vieles wird von den Menschen abhängen, die Berisha ernannt hat, um dieses Programm umzusetzen. Der regionale Kontext gibt aber meiner Meinung nach derzeit mehr Grund zur Hoffnung, als dass er sich zu einem Hindernis entwickeln könnte.

Welchen Rat würden Sie dem neuen Premierminister geben, was sollte er tun?

Statt Berisha eine Liste von Dingen zu geben, die er tun soll, würde ich ihm eher eine Liste von Dingen geben, die er auf keinen Fall tun soll. Und eine Sache, die eine Regierung auf keinen Fall tun sollte, ist, ihre ganze Energie in Polemiken mit der Opposition zu verschwenden. Im Amt des Premierministers ist es wichtig, eine Vision für eine Politik zu haben, die man umsetzen möchte. Den politischen Kampf soll er die Partei austragen lassen. Das ist sehr wichtig. Ich denke allerdings, dass sich die Ereignisse von einst [gemeint sind die Unruhen] nicht mehr wiederholen werden.

Wie schätzen Sie die Mitglieder der Regierung ein? Kann Berisha mit ihnen seine Ziele erreichen?

Wenn man herausfinden will, warum Berisha bestimmte Leute in die Regierung berufen hat, kann man beobachten, dass der Premierminister scheinbar darauf geachtet hat, dass der Flügel der Demokratischen Partei regieren soll, der auch die Wahlen gewonnen hat. Dieser Teil der Partei hat sich für die Zivilgesellschaft und den Medien geöffnet. Die moderaten Kräfte der Demokratischen Partei sind eigentlich erst in den letzten zwei Jahren in Erscheinung getreten. Bei den Wahlen vor fünf Jahren standen sie noch im Hintergrund. Wir sollten aber nicht vergessen, dass es in der Demokratischen Partei auch immer diesen Flügel gegeben hat. Berisha hat es also geschafft, einen Ausgleich zwischen den Parteimitgliedern der Mitte, mit einigen, die in die Partei zurückgekehrt sind, und mit Teilen der Zivilgesellschaft zu finden. Es gibt auch andere Ausgleiche, darunter einen Ausgleich mit den Religionsgemeinschaften. Ich denke, die Kabinettsbesetzung ist immer eine schwierige Auswahl. Es gibt sicher einige, die draußen geblieben sind, die auch diskussionswürdig gewesen wären, aber wir müssen sehen, wie die Regierung jetzt ihre Arbeit leistet. Die neue Regierung hat sicherlich einige unbestreitbare Qualitäten, aber es gibt jetzt viele Aufgaben.

Wird es der Opposition angesichts des Verlusts der Mehrheit gelingen, eine konstruktive Rolle im Parlament zu spielen?

Für die Opposition ist nicht die Anzahl ihrer Sitze im Parlament ein Problem, sondern die Rahmenbedingungen innerhalb der eigenen Reihen. Die Sozialistische Partei muss sich ernsthaft ihrem eigenen Reformprozess stellen. Es geht um eine umfassende Reform, die die Partei schon mehrmals in Angriff genommen hat, die aber nie zu Ende geführt wurde. Wenn sie das schaffen, können sie sicher viel besser auf die Sorgen der Menschen reagieren als jetzt. Die Partei muss ernsthaft analysieren, was innerhalb der Partei geschehen ist. Sie muss Lösungen anbieten und keine prinzipienlosen Kompromisse, die bei den Sozialisten zum Regelfall geworden sind.

Das Interview führte Ani Ruci, Tirana
DW-RADIO/Albanisch, 13.9.2005, Fokus Ost-Südost