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Bulgarische Ministerin für europäische Integration hofft auf stabile Regierung

4. August 2005

Meglena Kuneva, amtierende bulgarische Europa-Ministerin, spricht im Interview mit DW-RADIO über Verhandlungen zur Regierungsbildung, europäische Erwartungen und ihre Aussichten für den Posten der Premierministerin.

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EU im Blick: Meglena Kuneva bei Gesprächen in BrüsselBild: European Community, 2004

DW-RADIO/Bulgarisch: Die Verhandlungen für die Bildung einer neuen Regierung in Bulgarien gestalten sich schwierig. Gegenwärtig sprechen die Bulgarische Sozialistische Partei (BSP) und die "Nationale Bewegung von Simeon II" (NBSZ) zum zweiten Mal über die Möglichkeiten, eine große Koalition zu bilden. Wie sind Ihrer Meinung nach die Aussichten, eine Einigung zu erzielen?

Meglena Kuneva: Ich hoffe, dass wir einer solchen Lösung näher kommen. Eine große Koalition eröffnet eigentlich die Möglichkeit zur Zusammenarbeit mit allen politischen Kräften, wobei natürlich das Wählervotum und die Präsenz der BSP als die größte parlamentarische Fraktion respektiert werden. Das große Interesse zeigt, dass Europa Bulgarien als zukünftiges EU-Mitglied betrachtet und deshalb – wie bei allen anderen europäischen Staaten – um die Stabilität im Land besorgt ist. Das verdeutlicht zum wiederholten Male, dass Europa uns will.

Der bevorstehende EU-Beitritt Bulgariens scheint wie ein Damokles-Schwert über
den Koalitionsverhandlungen zu schweben. Doch gerade dieser EU-Beitritt ist der Minimalkonsens zwischen den relevanten Partien – abgesehen von der rechtsradikalen Gruppierung "Attaka". Sehen Sie Chancen, auf dieser Grundlage nicht nur eine Regierung zu bilden, sondern auch die Unterstützung der anderen im Parlament vertretenen Parteien zu erhalten?

Der gesunde Menschenverstand kann nur eine positive Antwort auf diese Fragen geben. Zu einem solchen historischen Zeitpunkt - das kann ich ohne unnötiges Pathos behaupten – kann man über eine Koalition der Mission nachdenken. In den Parteien und in der breiten gesellschaftlichen Diskussion muss geklärt werden, ob diese Koalition nur auf der Basis von formell teilnehmenden politischen Kräften zusammengestellt werden soll oder ob auch andere politische Kräfte, die keine direkte politische Verantwortung übernehmen wollen, sie unterstützen würden. Bisher haben wir meiner Meinung nach eins nicht erreicht – unsere innerbulgarische Europa-Integration. Nun – aufgrund des Wählervotums – müssen wir es tun, auch mit Hilfe von außen.

Wie bereiten Sie sich auf den bevorstehenden EU-Jahresbericht zu Bulgarien vor?

Ich ziehe es vor, dafür zu arbeiten, dass er gut wird. Inzwischen bin ich Mitglied des Parlamentsausschusses für Europäische Integration. Alle Gesetze werden in diesem Ausschuss beraten. Ich setze meine Arbeit als noch amtierende Ministerin fort. Die Verwaltung ist in Kampfbereitschaft – wenn ich diese militärische Bezeichnung benutzen darf. Die meisten Beamten in den Ministerien werden keinen Urlaub haben oder dann ihren Urlaub nehmen, wenn die Arbeit weitergehen kann. Wir haben keine Veranlassung zu befürchten, dass die gesetzgeberische Arbeit verlangsamt wird. Das Parlament wird den ganzen August arbeiten, das ist ein gutes politisches Signal. Viele Gesetze müssen verabschiedet werden, deshalb arbeitet der Parlamentsausschuss auf vollen Touren. Wenn wir mit mehr Arbeitswillen, kühlem Kopf und Glaube an den Erfolg die politischen Gespräche führen, können wir die Missgeschicke überwinden und die Chance nutzen, die uns die Verfassung gibt - die zweite Chance, eine wirklich stabile Regierung zu bilden, so wie das EU-Erweiterungskommissar Oli Rehn empfohlen hat.

Haben Sie schon Kontakte mit den deutschen Christdemokraten, die eine andere Position zum EU-Beitritt Bulgariens eingenommen haben und die im Herbst wahrscheinlich die Regierung in Berlin stellen werden?

Über diese Kontakte, die ich weiter pflege, werde ich nicht öffentlich sprechen. Persönlich bin ich überzeugt, dass Deutschland ein außerordentlich ernsthafter Partner ist und dass jeder Vertrag, unabhängig davon wer ihn unterschrieben hat, vor jeder nachfolgenden Regierung eingehalten wird. Ich glaube nicht, dass irgendeine Partei in Deutschland gegen den EU-Beitritt Bulgariens ist. In den ersten Monaten dieses Jahres habe ich mit Frau Merkel gesprochen und habe auch Herrn Stübgen getroffen, der für die CDU-Beziehungen mit Bulgarien verantwortlich ist. Dabei habe ich die Überzeugung gewonnen, dass man von uns nichts andres verlangt als die Erfüllung der Bedingungen für den EU-Beitritt."

Die Frage, die Ihnen in diesen Tagen oft gestellt wird, können wir nicht außer Acht lassen. Wir fragen Sie nicht, ob Sie Mitglied in der neuen Regierung sein werden und in welcher Funktion, sondern ob sie in der Politik aktiv bleiben wollen, um das Begonnene zu vollenden?

"Ja, ich glaube, dass das durch meine Anwesenheit im Parlament schon Fakt ist. Ich war bereit, in die Kandidatenlisten in den Städten Russe und Pernik aufgenommen zu werden und Mitglied in der Fraktion der NBSZ zu sein. Ich fühle mich gut in dieser liberalen Bewegung. Vorher bin ich in keiner Partei gewesen. Für mich sind die vergangenen vier Jahre eine wichtige soziale Erfahrung, da ich das gemacht habe, was ich immer gerne tue – für eine Sache zu arbeiten, von der ich überzeugt bin. In unserem Staat gibt es soviel Arbeit, dass ich sicher bin, dass Arbeit auch für mich da sein wird."

Das Interview führte Alexander Andreev
DW-RADIO/Bulgarisch, 2.8.2005, Fokus Ost-Südost