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Deutsches Asylverfahren in der Kritik

Manfred Götzke19. Juni 2005

Immer weniger Menschen bekommen in Deutschland Asyl. Beschämend für die deutsche Flüchtlingspolitik, sagen Menschenrechtsorganisationen. Denn Asylverfahren seien alles andere als fair und gerecht.

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Stempel drauf und weg - immer weniger Asylbewerber werden anerkanntBild: Bilderbox

Wäre die Anzahl der anerkannten Flüchtlinge in Deutschland ein Indikator für Kriege und Konflikte in der Welt, dann wäre die Welt derzeit eine sehr friedliche. Wurden zum Beispiel in Deutschland 1998 noch 11.000 Asylbewerber anerkannt, waren es 2004 nur 2000. Doch leider gibt es diesen Zusammenhang nicht - die Anzahl der Konlikte hat zugenommen. Beispiele dafür sind Darfur und der Irak. Vor Europas Haustür dauern die Standardscharmützel an. Politische Verfolgung der Kurden in der Türkei, Krieg gegen die Tschetschenen in Russland - Hunderttausende müssen ihre Heimat verlassen, weil ihre Menschenrechte mit Füßen getreten werden.

Unterstellter Mißbrauch

Protest gegen die unmenschliche Behandlung von Asyl suchenden
Bild: AP

Die sinkenden Flüchtlingszahlen in Deutschland haben einen anderen Grund. Von den 35.000 Menschen, die einen Asylantrag gestellt haben, wurden 2004 nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nur 1,5 Prozent anerkannt, weiteren 1,8 Prozent wurde Flüchtlingsschutz gewährt. "Es gibt da ein extremes Misstrauen und eine Ablehnungshaltung bei den Behörden", sagt Bernd Mesovic von Pro Asyl. Die Verantwortung für Flüchtlinge werde auf andere Staaten und letztlich auf die Herkunftsregion der Flüchtlinge abgewälzt, kritisiert seine Organisation.

Pro Asyl, Amnesty International, die Neue Richtervereinigung und andere Organisationen haben in Gesprächen mit Asylbewerbern untersucht, wie Menschen befragt werden, wenn sie einen Asylantrag stellen. "Das Bundesamt für Migration entscheidet im Zweifel gegen den Asylsuchenden", resümiert Wolfgang Grenz, Flüchtlingsexperte bei Amnesty International. Er nennt ein Beispiel. Eine Kurdin kommt nach Deutschland und stellt einen Asylantrag. Sie gibt an, in ihrem Herkunftsland gefoltert worden zu sein. Trotzdem wird ihr Antrag abgelehnt. Die Begründung: sie habe die Folterumstände nicht detailliert geschildert. "Der Beamte hat dabei seine Pflicht verletzt, bei Zweifeln die Person nach Details zu fragen", sagt Grenz.

Folter? Da doch nicht!

Asylanten im Frankfurter Flughafen
Bild: AP

Die persönliche Anhörung ist das Herzstück jedes Asylverfahrens. Nach einer Flucht haben die Antragsteller meist keine Beweise dabei, die einen Asylgrund schwarz auf weiß belegen können. Folter wird vom Folterer nicht zertifiziert. Letztlich entscheidet der subjektive Eindruck des Beamten, der dem Asylsuchenden gegenüber sitzt. Ist die Geschichte glaubhaft, dass die 40-jährige Kurdin von türkischen Soldaten mehrfach vergewaltigt wurde, wenn sie keine Details erzählen will - oder kann? Oder ist es nur eine Geschichte?

Barbara Stolterfoht vom paritätischen Wohlfahrtsverband kritisiert, dass es gerade in solchen Situationen fatal sei, den Menschen unterschwellig Missbrauchsabsichten zu unterstellen. Das sei aber zunehmend der Fall. "Das gesellschaftliche Klima hat sich asylfeindlich entwickelt, dabei nehmen die Bewerber nur ihr verfassungsmäßig verbrieftes Recht wahr."

Zudem entscheidet laut Pro Asyl oft nicht das individuelle Schicksal des Asylsuchenden, sondern die Zusammenstellung von "Textbausteinen". Nach Erfahrungen der Organisation stellen die Beamten den Asylsuchenden die Fragen so, dass deren Antworten ihren standardisierten Vorlagen entsprechen. "Man kann sich freuen, wenn sich in einem Bericht fünf bis sieben Sätze auf das individuelle Schicksal beziehen."

So werden in jedem Gespräch zunächst Fragen zum Reiseweg gestellt. "Wir müssen danach fragen, denn wenn die Bewerber über ein anderes EU-Land eingereist sind, wäre dieses Land für das Verfahren zuständig", sagt Claudia Möbus vom Bundesamt. Pro Asyl kritisiert hingegen, dass die Angaben über das Herkunftsland die weitere Anhörung massiv beeinflussen. "Der Erfahrungswert des Amtes, dass in einem Land nicht gefoltert wird, ist dann oft wichtiger als die Aussage des Asylbewerbers, der behauptet, dort gefoltert worden zu sein", sagt Mesovic. Das Bundesamt für Migration weist diesen Vorwurf zurück. "Die Anhörungen verlaufen fair und jeder Bewerber hat die Chance, ausführliche Aussagen zu machen, das Gesagte zu korrigieren und zu ergänzen", sagt die Pressereferentin des Bundesamtes.

Pro Asyl und Amnesty wollen anderes herausgefunden haben. Nach ihren Erfahrungen werden die Bewerber in aller Regel nicht auf Widersprüchlichkeiten in ihrer Aussage aufmerksam gemacht. Damit hätten sie nicht die gesetzlich vorgeschriebene Chance zur Korrektur.

Keine Korrektur

Flüchtlingslager in Jordanien
Bild: AP

Pro-Asyl-Mitarbeiter haben Mitschriften von Anhörungen mit Ablehnungsbescheiden von Bewerbern verglichen. So sei die Glaubwürdigkeit der Bewerber wegen Widersprüchlichkeit in den Ablehnungsbescheiden angezweifelt worden. In entsprechenden Anhörungsprotokollen sei hingegen nicht auf diese Widersprüche eingegangen worden.

Dabei wüssten die Asylsuchenden nicht, welche Teile der Anhörung wichtig sind. Bernd Mesovic von Pro Asyl hält diese Praxis für politisch gewollt. "Es gibt eine politische Steuerung der Anerkennungsquote. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlingsschutz tut nicht mehr, als den Vorstellungen des Innenministers Schily gerecht zu werden." Dieser stellt sich weiterhin vor, Asylverfahren teilweise aus Deutschland auszulagern: in Auffanglager in Nordafrika.