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Weblogs in China - aber nicht über Demokratie

Fritz Tänzer15. Juni 2005

Seit kurzem bietet Microsoft sein Internet-Angebot auch in China an - zumindest Teile davon. Dafür setzt die chinesische Regierung im Gegenzug 30.000 Polizisten auf das Internet an.

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Sein Konzern hat jetzt auch den chinesischen Markt erobert: Microsoft Gründer Bill GatesBild: AP

Seit wenigen Monaten kann nun auch in China das Microsoft Internetportal MSN genutzt werden. Gelegentlich kommt es dabei aber zu Fehlermeldungen. Nicht etwa, dass noch technische Fehler behoben werden müssten. Im Gegenteil: Die Techniker mussten Überstunden machen, um die Fehlermeldung in das System einzuprogrammieren.

Wer bei der Nutzung des chinesischen Internet-Angebots von Microsoft heute Begriffe wie "Demokratie" oder "Menschenrechte" schreibt, bekommt eine Fehlermeldung: "Verbotener Begriff im Text, bitte löschen", teilt einem das System mit. Auch "Demonstration", "Freiheit" oder "Unabhängigkeit Taiwans" gehören zu den verbotenen Begriffen. Microsoft und die chinesische Regierung haben ausgehandelt, dass gewisse Begriffe grundsätzlich gesperrt werden und sich nicht in das System eingeben lassen.

Eingebaute Filter

Scheinbar kann man diese Fehlermeldungen noch umgehen, wenn man die signifikanten Begriffe nicht in der Überschrift verwendet, diese möglichst neutral formuliert, und dann im Fließtext deutlich wird. Wie lange das noch funktioniert, ist aber nicht sicher. Bisher schlagen die Filter nur in den Überschriften an. Doch ist es durchaus möglich, dass große Anbieter zukünftig gewisse Reizwörter ganz sperren werden.

Der Marketing-Direktor von MSN, Adam Sohn, erklärte dazu gegenüber der Nachrichtenagentur Associated Press, dass Microsoft bei seinem Internet-Angebot in China mit den Behörden zur Zensur missliebiger Inhalte zusammenarbeitet. Dies beziehe sich auf den Blog-Dienst MSN Spaces. Zu diesem Zweck arbeitet Microsoft mit Firmen, die von der chinesischen Regierung bezahlt werden, zusammen, um die unerwünschten Begriffe auszufiltern.

Internet als Regimegegner

Die chinesische Regierung hat das Internet nämlich als ihren neuen Hauptfeind ausgemacht. Hier ist die Zensur, die in anderen Medien stattfindet, kaum durchführbar. Insbesondere die Weblogs, die sich immer stärker ausbreiten, sind ein Forum, dass sich nur sehr schwer kontrollieren lässt.

Aus diesem Grund hat China eine Internet-Polizei geschaffen, die rund um die Uhr Websites und Foren nach missliebigen Begriffen durchsucht und die Passagen sperrt. Über 30.000 dieser Polizisten sind im Einsatz.

Auch sollen aus parteitreuen Genossen Teams gebildet worden sein, die in den Diskussionsforen versuchen sollen, die übrigen Chatter von regierungskritischen Themen abzulenken und auf allgemeinere Themen zu bringen.

Internetnutzung grundsätzlich möglich

Bei MSN Spaces handelt es sich um Speicherplatz für die Einrichtung von Blogs (Web-Logs), der kostenlos genutzt werden kann. Der Dienst ist Teil des chinesischen MSN-Portals. Seit Beginn des Dienstes wurden bereits fünf Millionen Blogs eingerichtet. Microsoft akzeptiert dabei die staatliche Zensur der Chinesen. Sie werde, so Adam Sohn, als Teil der regulatorischen Bedingungen in China in kauf genommen. Microsoft vertritt dabei die Haltung, dass es grundsätzlich für jeden Markt andere Bedingungen gebe, die man akzeptieren müsse. Sohn, weiter: "Auch mit den Filtern helfen wir Millionen von Menschen, miteinander zu kommunizieren, Beiträge und Fotos auszutauschen sowie Beziehungen aufzubauen". Sohn ist bei Microsoft auch für das internationale Geschäft zuständig. Er akzeptiert die Einschränkungen und betont die vielen Vorzüge, die immer noch bleiben: "Das ist für uns der entscheidende Punkt".

Eingeschränktes googeln

Nicht nur Microsoft akzeptiert für das Geschäft in China staatlich verordnete Einschränkungen. Auch die Suchmaschine Google schränkt seine Seiten bewusst ein und unterdrückt die Trefferausgabe für Begriffe wie "Taiwan" oder "Falun Gong". Ebenfalls werden keine Seiten ausgegeben, die Informationen über die Unabhängigkeit Tibets enthalten.

Grund für dieses Zugeständnis der Unternehmen ist der riesige Markt, der China für sie geworden ist. Mittlerweile nutzen in China 87 Millionen Menschen das Internet, und in diesem Jahr werden es noch 100 Millionen werden. Mehr gibt es nur noch in den USA.

Nicht zu privaten Zwecken

Die chinesische Regierung ist ihrerseits an der Verbreitung des Mediums interessiert. Sie will die Nutzung aber auf das Geschäftsleben und die Bildung beschränken, diese Bereiche jedoch bewusst fördern. Hingegen will sie die private Nutzung von Seiten, die nach ihrer Auffassung subversiv sind, verbieten. Zu diesem Zweck kontrollieren die Zensurstellen Internetforen und Blogs auf politisch unerwünschte Inhalte und Äusserungen. Weiterhin müssen sich in China die Betreiber von Websites bis Ende Juni bei den Behörden registrieren lassen. Ein Verstoß gegen diese Regeln wird hart bestraft. Seit Mai wurden bereits 54 Personen in Haft genommen.

Hinter MSN China steht nicht Microsoft allein. Es ist ein Joint-Venture mit der Shanghai Alliance Investment, einer Investmentgesellschaft, die jedoch staatlich finanziert wird.

Internationaler Protest

Microsoft Network war in diesem Jahr der erste internationale Konzern, der in China eine Lizenz für die Bereitstellung von Telekom-Mehrwert-Dienstleistungen erhielt. Gegen die Beschränkung der Seiteninhalte hat sich bereits die Menschenrechtsorganisation "Reporter ohne Grenzen" engagiert. Sie hat die in China beteiligten Firmen, darunter Microsoft, Google und Yahoo, aufgerufen, auf die chinesische Regierung einzuwirken, dass zukünftig Meinungsfreiheit im ganzen weltweiten Computernetz und eben auch in China zugelassen wird.

Trotz der staatlichen Einschränkungen sind viele Chinesen über die neuen Möglichkeiten besonders froh. Das Internet sei in China das freieste Medium, auch wenn es jetzt von einer eigenen Polizei kontrolliert würde.