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Kritik an Afrika-Initiative von Bush und Blair

Das Gespräch führte Ingo Uhlenbruch9. Juni 2005

Für Dirk Kohnert vom Hamburger Institut für Afrikakunde sind Bushs und Blairs Hilfszusagen für Afrika "nur Fensterreden". Er erklärt DW-WORLD, warum er gegen einen strikten Schuldenerlass ist.

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Wie viel Hilfe braucht Afrika?Bild: UNESCO

DW-WORLD: US-Präsident George W. Bush und der britische Premierminister Tony Blair setzen sich dafür ein, den ärmsten afrikanischen Ländern die Schulden zu erlassen. Der neue Weltbankpräsident Paul Wolfowitz will die Bekämpfung der Armut in Afrika zum Thema mit höchster Priorität machen. Kann Afrika nun aufatmen?

Dirk Kohnert
Dirk Kohnert vom Institut für Afrika-Kunde in Hamburg
Dirk Kohnert: Es wäre schön, wenn Afrika nun aufatmen könnte, immerhin gehört Afrika zu den ärmsten Regionen der Welt. In meinen Augen sind die Aussagen von Präsident Bush und Tony Blair allerdings nichts weiter als Fensterreden. Wenn es einen ehrenhaften Grund für die plötzliche Initiative gibt, dann ist das wohl die Halbierung der weltweiten Armut bis zum Jahr 2015, so wie es die UN-Millenniumserklärung aus dem Jahr 2000 vorsieht.

Wirtschaftliche Interessen der Geberländer dürften jedoch eine weitaus wichtigere Rolle spielen. Welche Gründe es auch immer geben mag: Ich bin strikt gegen einen derart unkonditionierten Schuldenerlass, weil dadurch lediglich die korrupten Regimes beispielsweise in Togo oder Nigeria gefördert würden.

Bedingung für den Schuldenerlass ist die Umsetzung von Reformen wie Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung. Ist das ein faires Angebot für Afrika?

Wäre der Vorschlag ernst gemeint, könnte man von einem fairen Angebot sprechen. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus: Frankreich, um nur ein Beispiel zu nennen, unterstützt zwar nach außen die Reformbemühungen und auch die Ziele der Initiative NEPAD (The New Partnership for Africa's Development, Anm. d. Red.), aber nach innen verschließt die französische Regierung die Augen vor der Realität. Sie toleriert nicht nur korrupte Regierungen in Afrika, sondern fördert diese auch noch.

Welche afrikanischen Regionen könnten von einem Schuldenerlass am meisten profitieren?

Am meisten könnten beispielsweise Benin, Togo oder Nigeria davon profitieren, wobei Nigeria wegen seiner großen Erdölvorkommen aber keineswegs zu den armen Staaten gezählt werden darf. Nigeria befindet sich vielmehr an der Grenze zu einem Schwellenland.

Haben die Finanzhilfen für Afrika bisher Erfolge gebracht?

Sichtbare Erfolge gibt es nur auf lokaler Ebene, größere Erfolge sind bisher ausgeblieben. Dennoch darf man über die kleinen Erfolge nicht hinweg sehen - und gerade deshalb darf man auch nicht die Entwicklungshilfe zurückfahren, das wäre kontraproduktiv.

Was sagen Sie zu dem Vorwurf, Afrika sei selbst Schuld an seiner wirtschaftlichen Misere?

Ohne Zweifel ist die Situation in Afrika in vielen Fällen die Folge von Misswirtschaft im eigenen Land. Man muss in diesem Zusammenhang aber wieder berücksichtigen, dass korrupte Herrscher jahrelang toleriert und unterstützt wurden. Die Geberländer sind daher nicht gerade unschuldig an der aktuellen Situation. Die Geister, die sie damals riefen, werden sie nun nicht so schnell wieder los.

Können sich die Industriestaaten eine Ausweitung der Entwicklungshilfe überhaupt noch leisten, während viele Förderländer selbst mit einem desolaten Staatshaushalt zu kämpfen haben?

Eine Ausweitung der Förderung ist nicht das eigentliche Problem. Die Schwachstelle bei der aktuellen Förderung ist die richtige Verteilung der Finanzhilfen. Ein Großteil der Entwicklungshilfe kommt einfach nicht dort an, wo sie hin soll. In dieser Hinsicht besteht noch Verbesserungsbedarf.

Eine weitere Alternative zur Unterstützung Afrikas ist die gezielte Wirtschaftsförderung. Gibt es in Afrika besonders attraktive Regionen für Investoren?

Afrika ist zunächst einmal alles andere als eine attraktive Region für Privatinvestitionen, deshalb sind die Investitionen auch schon seit Jahren rückläufig. Es gibt schlichtweg zu viele formelle und informelle Handelshemnisse. Diese Hürden müssen erst einmal abgebaut werden, dann können auch Produkte abgesetzt werden.

Welche afrikanischen Produkte wären Erfolg versprechend?

Zum einen gibt es umfangreiche Erdölvorkommen, beispielsweise im Golf von Guinea oder an der westafrikanischen Küste. Zum anderen sind Gold und Diamanten sowie Baumwolle weitere Produkte, mit denen Afrika erfolgreich Handel treiben könnte. Reichtum ist aber selten eine Frage von Ressourcen. Es gibt nur wenige Länder, die arm sind, weil sie zu wenig Ressourcen besitzen.

Welche Rolle spielt die Initiative NEPAD (The New Partnership for Africa's Development) für die Entwicklung Afrikas?

Die Ziele der NEPAD sind international anerkannt, auch wenn die Positionen der Geberländer manchmal unterschiedlich sind. Aus meiner Sicht ist die NEPAD eine lobenswerte Initiative. Kritik äußern hingegen einige afrikanische Dissidenten, die der NEPAD vorwerfen, sich zu sehr an den Zielvorstellungen der Gebergemeinschaft zu orientieren.

Welche Vorgehensweise ist Ihrer Ansicht nach geeignet, um Afrika wirtschaftlich und politisch zu stabilisieren?

Zunächst einmal müssten weltweit viele Subventionen gestrichen werden, weil dadurch der Handel mit afrikanischen Produkten erschwert wird. So gibt es in Afrika beispielsweise Absatzschwierigkeiten für Zucker, Bananen oder Baumwolle. Ich gehe allerdings davon aus, dass es so gut wie keine Chance gibt, den Abbau von Subventionen durchzusetzen. Als weitere Maßnahme sollte es einen Schuldenerlass nur für Staaten geben, die die Vorgaben der NEPAD ohne Wenn und Aber erfüllen.

Dirk Kohnert ist stellvertretender Direktor des Instituts für Afrikakunde in Hamburg