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Vergangenheitsreste in Entenhausen

Rafael Heiling19. August 2005

In einem neuen Micky-Maus-Heft ist Hitlers Buch "Mein Kampf" aufgetaucht - auf der Müllkippe. Und nicht zum ersten Mal: In Disney-Comics findet man immer wieder ironische Seitenhiebe auf die deutsche Nazi-Vergangenheit.

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Befehlshaber und Fähnleinführer: Pfadfinder als Nazi-ParodieBild: Donald Duck

Zwischen einer kaputten Trommel, einem alten Rad und sonstigem Abfall liegt ein grünes Buch, da, wo es hingehört: "Mein Kampf" heißt der Titel. Ein unscheinbares Detail in der Donald-Duck-Geschichte "April, April", in der Donalds Neffen Tick, Trick und Track auf der Müllkippe stöbern. Über Hitlers Hetz-Pamphlet steht eine Sprechblase: "Die sind immer gut für einen Aprilscherz." Erschienen ist die Geschichte in der deutschen "Micky Maus" - und hat für Aufregung gesorgt.

Der gute Ton von 1950 - als Nachdruck

Comic: Donald Duck, 1. Bild
Das inkriminierte Buch 'Mein Kampf' durfte nicht immer offen herumliegen: In früheren Versionen wurde der Titel retuschiert - dann war das Buch einfach blauBild: TGDD 118, BL-WDC 18, MM 15/97

"Die Geschichte ist ursprünglich von 1948, man muss das aus der Zeit heraus sehen", erklärt Andreas Platthaus, "Ehrenpräsidente" der "Deutschen Organisation der nichtkommerziellen Anhänger des lauteren Donaldismus" (D.O.N.A.L.D.). Seit den 1950er Jahren würden solche Anspielungen nicht mehr in neue Geschichten eingebaut.

Platthaus hat die Donald-Geschichten nach Stellen durchsucht, in denen die deutsche Nazi-Vergangenheit durch den Kakao gezogen wird. Manches - auch besagter Abfall-Fund - sei gelegentlich retuschiert worden: "Es ist in den 90ern in Deutschland schon mal erschienen, da hat es aber offenbar niemanden gestört."

Wehrmacht und "Alfons Blitzkrieg"

Comic: Donald Duck, Bild 2
In der deutschen Erstversion spricht Donald noch von einer 'Wehrmachtshelferin'Bild: Donald Duck

"Mein Kampf" liege schon im Original des vom US-Amerikaner Carl Barks gezeichneten Comics herum, sagt Platthaus. "Dass die Amerikaner darüber witzeln, ist ja klar." Aber auch die deutsche Übersetzerin Dr. Erika Fuchs - selbst von den Nazis vertrieben - habe viele Anspielungen eingebaut, berichtet der Donaldist: "Da stößt man auf die Leiterin einer Pfadfindergruppe, die früher mal Kantinenhelferin bei der Wehrmacht war." Nachzulesen in der Geschichte "Die braven Brückenbauer".

In "Die Kohldampfinsel" singt die Panzerknacker-Bande in Anlehnung an ein Nazi-Lied: "Heute gehört uns die Kohldampfinsel und morgen die ganze Welt." Und in der Geschichte "Der Rassehund" apportiert ein Vierbeiner eine Dynamitstange, die er sich vom Wagen des Abbruchunternehmers "Alfons Blitzkrieg Jr." schnappt. Auch die Panzerknacker-Bande sei nach einer Nazi-Waffe benannt, erklärt Platthaus. Mit der Wendung "hart wie Duck-Stahl" löste eine heutige Übersetzerin 2002 Diskussionen aus.

"Man muss drüber lachen dürfen"

"Es gibt zwei, drei Dutzend solcher Anspielungen", schätzt Platthaus - unter tausenden Geschichten. Und die seien auf keinen Fall als Verherrlichung gemeint, betont D.O.N.A.L.D.-"Präsidente" Dr. Patrick ("Pa-Trick") Martin. Ob Bücher auf dem Müll oder autoritäre Strukturen beim Pfadfinder-Verein "Fähnlein Fieselschweif": "Deutschland hat immer noch einen unnatürlichen Umgang mit der Vergangenheit. Diese Verhohnepiepelung ist aber wichtig, weil man darüber lachen dürfen muss - in bestimmten Grenzen."

1943: Donald als Granatenbauer

Comic: Donald Duck, 5. Bild
Tick, Trick und Track sagen hier ursprünglich (1962) 'Heil' - zusammen mit dem gestreckten Arm zumindest unglücklichBild: Donald Duck

Während sich die Ironie in den bis heute nachgedruckten 50er-Jahre-Comics als Detail versteckt, war in Disney-Filmen während der Weltkriegszeit deutliche Anti-Nazi-Propaganda angesagt. "Der berühmtestes Film ist von 1943, 'The fuehrer's face'", erklärt Platthaus. "Da ist Donald ein Rüstungsarbeiter in Nazi-Deutschland, der von einer Militärkapelle geweckt wird und immer eine Hitler-Büste grüßen muss. Im Schlussbild umarmt er eine kleine Freiheitsstatue."

Auch andere Comic-Helden hätten es während des Krieges mit Nazi-Gegnern zu tun gehabt: "Klar gab es Comics, wo Superman Hitler verprügelt", sagt Platthaus. Und Martin ergänzt, auch die Looney Tunes der Warner Brothers seien damals auf Anti-Nazi-Linie getrimmt worden.

"Die Kinder bemerken es nicht"

Die Idee der Comic-Propaganda blieb noch in der DDR erhalten - in der Zeitschrift "Fröhlich sein und singen" der 1970er zum Beispiel, allerdings mit eigens entwickelten Arbeiterhelden-Figuren.

Platthaus bestreitet aber, dass sich mit Comics politische Ideologien wirkungsvoll an den Mann bringen lassen. Wenn heutzutage mal das Wort "Wehrmacht" im Text geblieben sei, würde das die jungen Leser auch nicht stören, sagt er. "Dadurch wird keiner verdorben, bestenfalls wird Interesse geweckt."

Das gelte auch für aktuelle politische Anspielungen. "Da wird gern mal ein Potentat veralbert oder es gibt Anspielungen auf die Steuerreform. Darüber regt sich heute keiner auf." Auch nicht darüber, dass die Entenhausener Bürgermeister - grummel! - sehr oft als Schweine dargestellt werden.