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Transnistrien als Problem für die nationale Sicherheit Rumäniens

24. März 2005

Bei seinem Staatsbesuch war der rumänische Präsident Traian Basescu Gast im Berliner Funkhaus der Deutschen Welle. Im DW-Interview sprach er auch über die Integration in die EU und die Beziehungen zu Deutschland.

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Traian Basescu bei seinem Berlin-BesuchBild: DW

DW-RADIO/Rumänisch: Herr Präsident, mit welcher Botschaft kamen Sie nach Berlin, im Kontext der Neudefinierung der rumänischen Außenpolitik? Wie Sie wissen, gab es in Berlin Missverständnisse über die Prioritäten der rumänischen Außenpolitik.

Traian Basescu: Ich glaube nicht, dass diesbezüglich Missverständnisse aufkommen mussten. Für Rumänien steht eindeutig fest, dass es sich im Rahmen seiner Entwicklung in Richtung EU eine Hauptpriorität gesetzt hat: und zwar die Integration am 1.Januar 2007 - als eine Wiederkehr Rumäniens in die europäische Familie. Diesbezüglich gibt es in Rumänien keinerlei Zweifel. Das ist die oberste nationale Priorität.

Gleichzeitig und vielleicht gleichermaßen haben wir auch Prioritäten in der nationalen Sicherheit. An der Ostgrenze Rumäniens gibt es einen Konflikt, der auf Eis gelegt wurde – in Transnistrien – einen Konflikt, der zwischen der Republik Moldau und Transnistrien einen Krieg auslöste, der beinahe auch die anliegenden Staaten mit einbezogen hätte. Man kann nie wissen, wie sich dieser Konflikt weiter entwickeln wird. Aus diesem Grunde denken wir, dass die Priorität Rumäniens hinsichtlich der nationalen Sicherheit auch auf Garantien abzielt, dass Rumänien niemals von diesem Konflikt betroffen wird. Somit versuchen wir vorrangig die Rahmenbedingungen für die Beilegung dieses Konflikts zu schaffen, und zwar dafür, dass der moldauische Staat wieder die Kontrolle über sein gesamtes Territorium erhält. Dieses kann nur effektives Handeln bedeuten für die Befreiung des transnistrischen Territoriums von den Truppen der Russischen Föderation.

Deutschland unterstützt Rumäniens politische Initiative im Südosten Europas, und zwar im Schwarzmeerraum. Das hat auch der deutsche Außenminister Joschka Fischer bekräftigt, als er vor einigen Wochen seinen rumänischen Amtskollegen Mihai Razvan-Ungureanu traf. In letzter Zeit wurde aber in Deutschland auch Kritik laut mit Bezug auf die Klausel, die eintreten soll, falls Rumänien doch nicht seine Hausaufgaben für den EU-Beitritt machen wird. Diese Hausaufgaben heißen in erster Linie die Beseitigung der Korruption. Was vermitteln Sie diesbezüglich Ihren deutschen Partnern?

Ich bin ein sehr offener Mensch und kam nicht hierher, um den versierten Politiker zu spielen, sondern um die Wahrheit auszusprechen. Die Kritik ist sehr wohl berechtigt und die Skepsis einiger deutschen Politiker gegenüber Rumänien ist auch gerechtfertigt, wenn man die letzten 15 Jahre und vor allem die letzten vier Jahre in Rumänien betrachtet. Gleichzeitig lautet mein Wunsch aber, dass Rumänien nicht vorrangig oder sogar ausschließlich anhand seiner Entwicklung in der Zeit 2000-2004 beurteilt werden soll. Ich möchte die deutschen Politiker, die Rumänien gegenüber noch misstrauisch sind, bitten, sich ebenfalls die letzten drei Monate anzuschauen, seitdem die neue Regierung im Amt ist. Wir haben einen erbitterten Kampf gegen die Korruption aufgenommen. Schauen Sie: Über 40 Generäle der rumänischen Polizei wurden entlassen oder in den Ruhestand versetzt, gegen viele von ihnen wird ermittelt. 42.000 Unternehmen wurden die Konten gesperrt, weil sie sich der Steuerhinterziehung schuldig gemacht haben. Die Justiz wurde dem Einflussbereich der Regierung entzogen. Das Justizministerium kann das gesamte System des rumänischen Justizwesens nicht mehr kontrollieren. Alle Maßnahmen der Regierung sowie des rumänischen Staatspräsidenten haben als Ziel, die Staatseinrichtungen im Kampf gegen die Korruption zu unterstützen. Schauen Sie sich die Fälle an, die auf europäischer Ebene Schlagzeilen gemacht haben, wie z.B. den Fall der Erdölraffinerie Rafo-Onesti. Im vergangenen Monat wurden die Betrüger endlich überführt. Es gibt ganz viele Nachrichten dieser Art in letzter Zeit. Ich denke also, dass diejenigen Politiker, die Rumänien immer noch mit Skepsis begegnen, aufmerksam die neuesten Entwicklungen im Land verfolgen sollten. Ich bin sicher, dass ihnen die neue rumänische Regierung glaubwürdiger erscheinen wird.

Wird diese Glaubwürdigkeit auch auf den Fall des Vertrags mit EADS übertragen? Ihre Regierung verlangte eine Überprüfung des Vertrags, der ohne Ausschreibung von der damaligen sozial-demokratischen Regierung in Bukarest unterschrieben wurde. Auf welchem Stand befindet sich die Überprüfung des Vertrags?

Ich kann Ihnen sagen, dass wir am Freitag (18.3.) in Bukarest ein Gespräch mit der Führung des europäischen Luftfahrtkonzerns EADS hatten. Wir haben einige wichtige Prinzipien festgelegt, die diesem Vertrag vielleicht doch noch eine Chance geben. Erstens werden wir weder eine Überschneidung der Finanzierung mit der Förderung durch die Europäische Kommission zulassen, noch eine Überschneidung mit der Finanzierung aus dem rumänischen Staatshaushalt und auch keine Überschneidung mit der Finanzierung des Schengen-Programms. Wenn nach all diesen Bestimmungen noch was übrig bleibt, können wir uns weiterhin gern über den Vertrag unterhalten.

Kommen wir wieder zu den direkten bilateralen deutsch-rumänischen Beziehungen zurück. Wie wir wissen, spricht man sowohl in Bukarest als auch in Berlin von der deutschen Minderheit in Rumänien als einer wichtigen Verbindungsbrücke zwischen den beiden Ländern. Wir wissen aber auch, dass die große Mehrheit der Siebenbürgen-Sachsen und der Banater-Schwaben inzwischen ausgewandert ist. Es gibt zurzeit vielleicht noch etwa 40.000 Rumänien-Deutsche, deren Durchschnittsalter über 60 Jahre liegt. Was tun Sie dafür, was tut die rumänische Regierung, um Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Rumänien-Deutschen vielleicht wieder nach Rumänien zurückkehren?

Ich bin kein Freund von positiven Diskriminierungen: Wir sollen Bedingungen schaffen, damit die Juden oder die Deutschen nach Rumänien zurückkehren. Rumänien muss insgesamt ein Land werden, in dem es sich besser leben lässt, das jedem Bürger bessere Chancen bietet, und dann werden sich sicherlich auch genügend Rumänien-Deutsche finden, die ausgewandert sind und wieder zurückkommen werden. So wie es auch viele Israelis geben wird und Ungarn, die weg sind und wieder kommen werden. Ich bin überzeugt, dass der Beitritt Rumäniens zur EU wie ein Motor fungieren und viele Rumänen, die ausgewandert sind, veranlassen wird, in ihre Heimat zurückzukehren.

Das Interview führte Robert Schwartz
DW-RADIO/Rumänisch, 21.3.2005, Fokus Ost-Südost