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Grenzenlos Reisen in Westeuropa

Bernd Riegert 26. März 2005

Pass-, Gepäck- und Zollkontrollen sind für westeuropäische Jugendliche Fremdwörter: Sie kennen das nur aus Erzählungen. Dank des "Schengener Abkommens" kann man seit zehn Jahren grenzenlos durch zwölf EU-Staaten reisen.

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Grenzkontrollen bei Privatpersonen sind heute AusnahmefälleBild: dpa

Am 26. März 1995 war es so weit: "Wir haben jetzt erreicht, dass Grenzen vollständig abgeschafft werden", jubelte der damalige niederländische Staatsminister Wim van Eckelen. Zehn Jahre zuvor hatten Frankreich, Deutshland und die Benelux-Staaten in dem kleinen luxemburgischen Grenzdorf Schengen einen Vertrag unterzeichnet, der Reisen ohne Grenzkontrollen ermöglichen sollte.

Wo ist Schengen?

Bildgalerie 50 Jahre Römische Verträge Bild 12 b Schengener Abkommen
Der Ortseingang von Schengen in Luxemburg am 22. März 1995Bild: dpa

Seitdem pilgern jährlich tausende Touristen in das 400-Seelen-Dorf Schengen, um die "Keimzelle Europas" zu sehen. Sie finden dort einen Gedenkstein und inzwischen auch ein kleines Informationszentrum. Bürgermeister Roger Weber freut sich, dass Schengen durch die Verknüpfung mit dem freien Reiseverkehr weltberühmt wurde. "Wir sind schon ein bisschen stolz darauf, dass der Vertrag in Schengen unterzeichnet wurde", strahlt er. "Das war zwar mehr ein Zufall, aber trotzdem sind wir froh, dass es in Schengen passiert ist."

Damals wurde nämlich ein Grenzübergang zwischen den fünf Gründerstaaten Deutschland, Frankreich, Belgien, Niederlande und Luxemburg gesucht. Weil Luxemburg gerade die Ratspräsidentschaft innehatte, fiel die Wahl auf das Dorf am Grenzfluss Mosel. Die Einführung der vollständigen Reisefreiheit war ein Experiment außerhalb der eigentlichen Verträge der Europäischen Union.

Kern europäischer Identität

Mittlerweile gehört Schengen zum Kern der europäischen Identität. 12 der 25 EU-Staaten haben sich dem Schengen-Raum angeschlossen. Kaum ein EU-Bürger muss an den Außengrenzen der Union heutzutage seine Papiere vorlegen. Nur Briten und Iren müssen nach dem Übersetzen nach Kontinental-Europa ihre Ausweise zücken. Großbritannien und Irland sind wegen ihrer Insel-Lage dem Schengen-Abkommen nicht beigetreten.

Dafür sind Norwegen und Island als Nicht-EU-Staaten Mitglieder im Schengen-Club. Die Schweiz will ebenfalls dazu stoßen. Und auch die neuen Mitgliedsstaaten in Osteuropa, die der EU vor einem Jahr beigetreten sind, sollen möglichst schnell nachziehen. Dazu gewährt die EU-Kommission Hilfe für den Aufbau der Sicherung der Außengrenzen. Eine EU-Grenzschutzagentur wird eingerichtet.

Datenschützer haben Einwände

"Schengen" ist demnach auch ein Synonym für stärkere Kontrollen an den Außengrenzen und mehr polizeiliche Zusammenarbeit. Damit sind Vorteile, aber auch Probleme verbunden. Vor allem Datenschützer kritisieren das "Schengen-Informations-System 2", das die EU derzeit aufbaut. Dieses soll noch mehr Daten enthalten und von der Kapazität her auf die wachsende Union ausgelegt sein. Auf die Ínformationen sollen von 2006 an alle Polizeidienststellen und auch Geheimdienste in der EU zugreifen können.

Otto Schily in Brüssel Fünf EU-Staaten gehen bei Polizei-Datenaustausch voran
Die Vertreter der Länder des "Schengen-Clubs" setzen auf eine verstärkte Zusammenarbeit polizeiliche ZusammenarbeitBild: AP

Über das Computernetzwerk können alle Schengen-Staaten Fahndungsdaten austauschen, wie Volker Amler vom Grenzschutzpräsidium in Frankfurt/Oder beim Inkrafttreten des Schengen-Vertrages 1995 erklärte. "Der Zentralcomputer enthält Fahndungsdaten von Kriminellen", erklärt er. "Fahndungen mit ausländerrechtlicher Komponente, Einreise- und Ausreiseverbote werden dort vermerkt."

Mehr Bewegungsfreiheit für Kriminelle

Parallel dazu hat die EU-Kommission ein Visa-Computer-System vorgeschlagen, das die Daten aller Ein- und Ausreisenden an den Außengrenzen erfassen soll. Auf dieses Visa-System konnten sich die Mitgliedsstaaten aber noch nicht einigen. Ein EU-Diplomat in Brüssel gibt zu, dass Schengen natürlich auch Kriminellen mehr Bewegungsfreiheit eingeräumt hat. Die Polizeibehörden haben dieselbe Freizügigkeit noch nicht erreicht. Reibungslose grenzübergreifende Polizeiarbeit ist zwischen einigen Ländern, aber noch längst nicht zwischen allen möglich.

"I love Schengen!"

Trotz gewisser Nachteile gilt für die meisten Menschen in der EU die Aussage dieses begeisterten jungen Touristen aus den USA, der einmal in den Schengen-Raum eingereist und nun ohne Kontrollen unterwegs ist: "I love Schengen. It's fantastic. I love Schengen!"

So können sich junge Europäer, die kaum älter sind als der Schengen-Vertrag, heute nur noch vage an die einstigen Pass-, Gepäck- und Zoll-Kontrollen erinnern. "Wir sind früher mit dem Auto in den Urlaub gefahren und mussten stundenlang an der Grenze warten, obwohl die eigentliche Kontrolle keine fünf Minuten dauerte", erinnert sich ein belgischer Jugendlicher.