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Königliche Chemie

Patrick Tippelt, Bangkok21. März 2005

Wenn Thailand unter einer Dürre leidet, greifen die Regierungsmaβnahmen oft zu kurz. Weil die Politiker nur an sich denken, muss jetzt der König als Regenmacher einspringen.

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Wenn es ums Wetter geht, stehen die Thais den nörgelnden Deutschen in nichts nach: Im Sommer kann niemand den Dauerregen ausstehen, in den kühleren Wintermonaten wird über die Kälte gestöhnt, wenn die Nachttemperaturen unter 15 Grad fallen, und ab Anfang März es allen viel zu heiß. Von Oktober bis Mai fällt oft kein Regen, aber diese Trockenperioden sind kein Phänomen, nur der Normalzustand in Thailand, mit jährlicher Wiederholung.

Doch dieses Jahr erlebt Thailand die schlimmste Dürre seit 30 Jahren. Auf den Zentralebenen ist seit September kein Tropfen Regen gefallen. Über 800.000 Hektar Ackerland braten zerstört in der Sonne, und sie haben die 2 Millionen Bauern in den betroffenen Gebieten bisher 150 Millionen Euro gekostet. Bauern pressen Wasser aus Bananenbaumstämmen. Viele verkaufen ihre Tiere. Provinzkrankenhäuser fürchten, dass sie bald keine Patienten mehr versorgen können. Kanäle werden von Soldaten bewacht: Die Versorgung der allgemeinen Bevölkerung geht vor, aber einige Bauern versuchen dennoch verzweifelt, Wasser zu stehlen. Hunderte von Familien graben Brunnen, aber nach 150 trockenen Metern geben die meisten auf.

Kurzzeitdenken

Die Regierung baut auf Krisenmanagement. Das Landwirtschaftsministerium bietet den Bauern althergebrachte Methoden für eine schnelle Abhilfe: kleine Stauteiche, artesische Brunnen und Wasserlaster in jedem Dorf. Selbstverständlich sind dies Notmaβnahmen, die nur kurzfristig greifen – bis zur nächsten Trockenzeit. Die Regierung zieht jetzt zwar rasch alte Pläne für neue Stauseen aus den Schubladen und veröffentlichte just einen Plan für ein landesweites Netzwerk von Wasserleitungen, Kostenpunkt: eine Milliarde Euro. Es scheint fast, als ob die Dürre den Politbürokraten die Chance verschafft, sich bei den Bürgern Thailands beliebt zu machen: Immerhin können sie so sagen, die Steuergelder flössen direkt wieder zurück in die Taschen der kleinen Leute. Doch die Regierung weigert sich zu erklären, womit die neuen Stauseen gefüllt werden. Wo es kein Wasser gibt, kann keins produziert werden. Das Problem der grassierenden Umweltzerstörung wird nicht berührt: Entwaldung und die Ausnutzung der natürlichen Wasservorräte des Landes – das sind keine Themen, mit denen sich ein Politiker Freunde in der Bevölkerung macht.

Chemische Bomben anstatt Regentanz

Doch Thailand kann sich glücklich schätzen: Der Vater des Landes, König Bhumipol, ist nicht nur ein gütiger Landesherr, in Notsituationen krempelt er die Hemdsärmel hoch und überimmt die Führung. In der Nähe seiner Sommerresidenz, im Badeort Hua Hin, hat er in der vergangenen Woche ein Zentrum für Regenproduktion errichtet, dessen Betreiben er persönlich beaufsichtigt; sie soll Thailand aus dem klimatischen Ausnahmezustand helfen. Von dieser Woche an werden Flugzeuge über dem ganzen Land Wolken säen, die den langersehnten Regen bringen sollen. Der König gilt als der Experte im Wolkensäen schlechthin: schlieβlich hält er seit drei Jahren ein Patent auf eine regenproduzierende Methode. Zurzeit arbeitet er an einer noch effektiveren Formel, und, bewaffnet mit seinen Forschungsergebnissen, steht er nun täglich seinen Feldherren im Regenmacherzentrum bei. Bis in die frühen Morgenstunden sorgt Seine Majestät dafür, dass die Piloten die chemischen Bomben auf den richtigen Höhen abwerfen. In seiner Residenz selbst hat der Landesvater einen Computer, der ihn direkt mit dem Zentrum verbindet. Bhumipol hat seine üblichen königlichen Pflichten beiseite gelegt und konzentriert sich darauf, seinen leidenden Untertanen zu helfen. Nun wird einem auch deutlich, wieso die Thais ihr Oberhaupt dermaβen verehren: König Bhumipol schwebt zwar in den Wolken, aber er hat auch den Finger am Puls der Zeit. Ganz anders dagegen Thaksin Shinawatra, der thailändische Premier, der diese Woche in Japan urlaubt – im Ausland anstatt im Süden Thailands, auf Phuket zum Beipiel, das gebeutelt von den Nachwirkungen des Tsunamis, von Touristen vergessen wird. Offizieller Grund: Er könne sich in Thailand nicht mehr erholen.