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Paul Wolfowitz: "Eine hilfreiche Provokation?"

17. März 2005

Paul Wolfowitz, den US-Präsident George W. Bush als Weltbankchef haben will, gilt als Vordenker des Irak-Krieges und als Spitzenmann der neokonservativen Scharfmacher im Weißen Haus. Die Reaktionen sind kontrovers.

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Paul Wolfowitz polarisiert - in den USA und in EuropaBild: AP


In europäischen Weltbank-Kreisen hieß es, Wolfowitz' Name sei in den vergangenen Wochen bereits informell unter den Mitgliedern des Direktoriums zirkuliert und abgelehnt worden. "Die Begeisterungsstürme im alten Europa halten sich in engen Grenzen", sagte zum Beispiel Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul.

Trotz des Widerstands sind die Möglichkeiten der Europäer im Direktorium der Weltbank begrenzt, die Ernennung zu verhindern. Die USA haben den größten Anteil an den Kapital-Einlagen des Instituts und daher das größte Stimmengewicht, gefolgt von Japan, Deutschland, Großbritannien und Frankreich. Zudem stellen die USA traditionell den Präsidenten der Weltbank, während Europa den Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) auswählt.

Auch die Kommentatoren internationaler Tageszeitungen bewerten die Nominierung sehr unterschiedlich:

"New York Times": Schlag gegen Weltgemeinschaft

"Auf die Frage, warum er Paul Wolfowitz, den Hauptarchitekten der Irak-Invasion, als künftigen Präsidenten der Weltbank nominiert habe, unterstrich Präsident (George) Bush wiederholt, dass dieser bislang als stellvertretender Verteidigungsminister eine große Organisation geleitet habe. Er schien selbst leicht verblüfft angesichts der Frage, warum ein Job, bei dem es im Wesentlichen um internationale Zusammenarbeit geht, ausgerechnet an einen Mann vergeben wird, der so viele Länder verärgert hat, mit denen er nun zusammenarbeiten soll. (...) Die Nominierung von Wolfowitz ist ein Schlag gegen die internationale Gemeinschaft, die den Irak-Krieg zum großen Teil bedauert hat, und eine Brüskierung der Vereinten Nationen. (...) Die Fähigkeit der Weltbank, Gutes zu tun, ist jedoch enorm. (...) Man kann nur hoffen, dass Wolfowitz in dem neuen Amt zu seinen früheren Überzeugungen zurückfindet. Die Weltbank braucht einen Chef, für den das Amt Passion ist. Jemanden, für den wirtschaftliche Entwicklung und Bekämpfung der Armut das Leben bedeuten."

"Tages-Anzeiger", Zürich: Paul Wolfowitz - Eine hilfreiche Provokation?

"Paul Wolfowitz als Präsident der Weltbank ist eine klare Provokation. Präsident Bush weiß, dass der neokonservative Hardliner nicht nur für die Europäer kaum akzeptabel ist, sondern auch für die Schwellen- und Drittweltländer eine Zumutung darstellt. Wenn Bush seine Wahl trotzdem durchdrückt, dann signalisiert er klar und deutlich, dass er der Welt nach der Irak-Invasion eine weitere Lektion erteilen will. Die Verachtung der Regierung Bush für internationale Organisationen ist bekannt und mehrfach bestätigt. (...) Von den Europäern ist jetzt mindestens zu erwarten, dass sie den Anspruch des Westens auf die Toppositionen bei Weltbank und Währungsfonds in Frage stellen und Wolfowitz nicht stillschweigend durchwinken."

"Financial Times Deutschland": Ein vielversprechender Kandidat

"In Wahrheit zeigt die Nominierung Wolfowitz' allerdings nur, wie sehr Bush sich in seinem bisherigen Kurs bestätigt sieht, und wie ernst es ihm mit seinem erklärten Projekt ist, Demokratie und Freiheit in alle Welt zu tragen. Wolfowitz ist einer der engagiertesten Vordenker dieses Programms, und er dürfte künftig versuchen, die ökonomischen Hebel der Weltbank dafür einzusetzen. Auch rein fachlich bringt er dafür gute Voraussetzungen mit. Die Europäer sollten die Kooperationschancen nutzen, die sich daraus ergeben. (...) Sicher: Wolfowitz ist ein bekennender, dickschädeliger Idealist. Das hat ihn in Sachen Irak vermutlich zu fatalen Überheblichkeiten verleitet. Wenn ein solcher Weltverbesserer von den militärischen Schalthebeln des Pentagon und an die Konferenztische der Entwicklungszusammenarbeit wechselt, kann das am Ende aber für alle Beteiligten ein Gewinn sein." (arn)