1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Richtungswahl in Moldawien

Christiane Hoffmann, zurzeit Chisinau6. März 2005

Am Sonntag (6.3.) ist in Moldawien ein neues Parlament gewählt worden. Die Moldawier wollen endlich Fortschritt - doch die Wahlbeobachter der OECD sehen das Land eher im Rückwärtsgang.

https://p.dw.com/p/6KDg
Farbe Orange: Die Revolution in der Ukraine ist Vorbild der OppositionBild: AP

In der Republik Moldawien, nach Albanien eines der ärmsten Länder Europas, ist am Sonntag (6.3.) ein neues Parlament gewählt worden, das dann auch den Präsidenten bestimmen wird. Mit endgültigen Ergebnissen ist erst im Laufe der nächsten Tage zu rechnen. Überraschungen wird es aber wohl nicht geben. Die Kommunisten sind Favoriten, Umfragen prognostizierten eine Mehrheit von zwischen 49 und 62 Prozent der Stimmen für die Kommunisten. Dennoch gilt die Wahl Richtungswahl, in der sich auch entscheidet, wie ernst es den Moldauern und vor allem der regierenden kommunistischen Partei mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ist.

Die Moldau ist eine Nachfolgerepublik der Sowjetunion und wird mit dem Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union in den nächsten Jahren zum EU-Nachbarn. Doch bisher macht das Land mit anderen Themen Schlagzeilen: Menschenhandel, Schmuggel und den Konflikt mit dem russisch-sprachigen Osten des Landes, der Region Transnistrien.

Mehr Informationen zu Moldawien finden Sie auf der DW-WORLD Europakarte


"Alle Leute hier wollen Veränderung, sie wollen nach Europa und ein besseres Leben", meint Maria Varnik. "Wir wollen nicht so ein Chaos wie jetzt, wir wollen etwas Neues, etwas Intelligenteres." Sie verteilt im Zentrum der moldauischen Hauptstadt Chisinau Zeitungen mit Werbung für ihre Partei, die Christdemokraten. Die Oppositionspartei hat im Wahlkampf die Farbe Orange aus der Ukraine übernommen und hofft nun darauf, dass der Funke der Freiheit auf das kleine Land zwischen Rumänien und der Ukraine, zwischen Europa und Russland, überspringt.

Menschen in der Sowjetunion - Moldawier
Ein junges Paar mit Kind geht am Stadtrand von Kischinew in Moldawien spazieren.Bild: dpa

Doch im Zentrum der Stadt hatten sich in den Tagen vor der Wahl nur knapp hundert Männer vor dem Präsidentenpalast versammelt. Und das nicht mal wegen der bevorstehenden Parlamentswahl. Sie gedenken des Beginns des bewaffneten Konflikts mit der abtrünnigen Region Transnistrien vor 13 Jahren, der bis heute das Land teilt. Kaum einer trägt orange, dagegen einige Männer gelbe Schals und Armbinden - das Zeichen des "Blocks Demokratisches Moldau", einem oppositionellen Parteienbündnis im Parlament.

"Polizei eine Propaganda-Behörde"

Vor zwei Jahren schlossen sich drei und später noch mehr Parteien zu diesem Block zusammen, als immer deutlicher wurde, dass die seit 2001 regierende kommunistische Partei die Entwicklung von Demokratie im Land zurückdrehen will. Serafim Urechean, Bürgermeister von Chisinau und einer der drei Spitzenkandidaten des Blocks wirft der kommunistischen Regierung auch massive Manipulationen im Vorfeld der Wahl vor: "Die Kommunisten nutzen ihren Einfluss auf die Verwaltung aus und haben die Polizei in eine Propaganda-Behörde verwandelt", sagt er. "Die Polizisten reißen Plakate auf der Straße ab und üben Druck auf die Opposition aus."

Kandidaten seien in einigen Regionen am Wahlkampf gehindert und verhaftet worden. Zudem könne ein Viertel der Moldauer in Transnistrien und im Ausland nicht wählen, weil es zu wenige Wahllokale gebe. Auch internationale Organisationen, wie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sehen Rückschritte in der Demokratie-Entwicklung. Wurden die Wahlen der Jahre 1998 und 2001 noch als den "internationalen Standards entsprechend" gelobt, so kritisierte die OSZE schon im Vorfeld dieser Abstimmung den Missbrauch der öffentlichen Verwaltung durch die Regierungspartei und die Situation der Medien. In den staatlichen Medien werde massiv für die regierende Partei berichtet, der Zugang der Opposition zu den Medien sei dagegen eingeschränkt.

Wladimir Woronin
Präsident und Chef der Kommunisten, Vladimir VoroninBild: dpa

Wegen unklarer Regeln im Wahlgesetz hatten die größten privaten Fernsehsender erklärt, überhaupt nicht über die Wahlen zu berichten, so Dorin Chirtoaca vom Helsinki Komitee für Menschenrechte: "Man kann praktisch von einer Informationsblockade während des Wahlkampfes sprechen", sagt Chirtoaca. Der Wahlkampf begann erst mit den Fernsehdebatten zehn Tage vor der Wahl. Aber damit ist die Zeit viel zu kurz, damit sich die Bürger wirklich eine Meinung über die Kandidaten bilden könnten. "Das was man vorher in den Nachrichten sehen konnte, war auf der einen Seite sehr wenig und auf der anderen Seite, berichten die Medien, die landesweit zu empfangen sind, zum Vorteil der Regierung."

Meinungsmonopol der Kommunisten

So bleibt das Meinungsmonopol bei den Kommunisten, deren Vorsitzender und Präsident der Republik Moldau, Vladimir Voronin, durchaus Rückhalt in der Bevölkerung hat. Vor allem auf dem Land und bei den Rentnern, deren Pensionen in den vergangenen Jahren erhöht wurden, erhalten Voronin und die Kommunisten Unterstützung. Woronin erklärte nach der Stimmabgabe in der Hauptstadt Chisinau, er habe "für das Volk von Moldawien" gewählt.

Verkehr in Moldawien
Moldawien gehört zu den ärmsten Ländern EuropasBild: AP

Die Opposition konkurriert untereinander, jede Partei verfolgt ihre eigenen Interessen. Selbst eine Zusammenarbeit zwischen der jetzigen Opposition und den Kommunisten halten internationale Beobachter nach der Wahl für möglich. Bei den Parlamentswahlen geht es schließlich auch um die politische Zukunft des Präsidenten. Über eine Wiederwahl Voronins entscheidet das Parlament - dafür braucht er mindestens 61 von 101 Stimmen.

Wahltaktische Reformfreundlichkeit

Zwar zeigt sich Voronin, dem aktuellen Trend folgend, europa- und reformfreundlich. Er will, so scheint es, die Stimmung in der Bevölkerung auffangen. In dieser Woche traf er in Kiew noch den ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko und in Chisinau den georgischen Präsidenten Micheil Saakaschwili. Doch Beobachter sehen darin wahltaktische Manöver. Und auch der georgische Präsident sagte, er sei nicht gekommen Voronin zu unterstützen, sondern die Demokratie in der Moldau.

Dem folgend rief auch die moldauische orange "Mini-Bewegung" der Christdemokraten, die Kommunisten auf, die demokratischen Regeln zu achten. Christdemokraten-Sprecher Vlad Cubreacov: "Falls die Fälschungen massiv sein werden, werden die Straßen voll sein. Das hängt aber davon ab, wie das Regime von Voronin sich verhalten wird."