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Hat die EU das Interesse an Südosteuropa verloren?

24. Februar 2005

Eine EU-Mitgliedschaft der Staaten des Westlichen Balkan liegt noch weit in der Ferne. Eine Konferenz zum Südosteuropa-Stabilitätspakt zieht nüchtern Bilanz und mahnt mehr Engagement der EU-Länder an.

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Der Wunsch südosteuropäischer Staaten nach der EU-Mitgliedschaft stellt die Union vor ProblemeBild: AP

Im Juni 1999 wurde der Stabilitätspakt für Südosteuropa gegründet. Nach dem Ende der Kosovo-Krise und des NATO-Bombardements auf Jugoslawien wollten die Staaten der Europäischen Union ihre Hilfs- und Stabilisierungs-Aktivitäten in der Region koordinieren. Und das mit dem Ziel, die Länder Südosteuropas an die EU heranzuführen. Wie sind die Perspektiven heute? Auf Einladung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und des Hamburger Institutes für Friedensforschung haben darüber am vergangenen Wochenende (19./20.2.) Politiker und Wissenschaftler aus der Region in Hamburg diskutiert.

Die EU-Minister kommen nicht

Die EU-Länder zeigten zu wenig Interesse an der Region, kritisiert Doris Pack. Die CDU-Politikerin, die im Europaparlament den Vorsitz in der Delegation für den Westlichen Balkan hat, sieht dieses mangelnde Interesse besonders bei den jährlichen Stabilitätspakt-Treffen auf Ministerebene: "Wenn da nur drei Minister von EU-Seite sitzen und die Südosteuropäer quasi alleine gelassen sind, dann zeugt das nicht von furchtbar viel Interesse. Das Interesse an dieser Gegend muss wachsen, weil unsere eigene Sicherheit und unser Wohlergehen vom Wohlergehen in der Stabilitätspakt-Region abhängt."

Wirtschaftliche Abhängigkeit

Auch das wirtschaftliche Interesse an der Region sei gering, konstatiert der Leiter der Südosteuropa-Abteilung bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, Franz-Lothar Altmann. Die betroffenen Länder seien jedoch noch über Jahrzehnte hinaus auf wirtschaftliche Unterstützung angewiesen. Denn die Erfüllung der Kopenhagener Kriterien und die anschließenden EU-Beitrittsverhandlungen bräuchten lange Zeit. Und um diese Zeit zu verkürzen, sollte man nicht die Kriterien aufweichen, sondern nach anderen Lösungen suchen. Altmann regt eine Art Juniormitgliedschaft an, an deren Ende die Vollmitgliedschaft stehen könnte, falls die Kriterien letztendlich erfüllt würden.

Junior- statt Vollmitgliedschaft in der EU?

Allerdings schürt die Idee einer solchen Juniormitgliedschaft Ängste in der Region, dass die im Juni 2003 in Thessaloniki versprochene Vollmitgliedschaft in weite Ferne rücken könnte. Derartige Ängste hat auch Peter Rondorf, der im Auswärtigen Amt für EU-Erweiterungsfragen zuständig ist, gehört. Er berichtet: "Bei uns klopfen schon Länder des Westlichen Balkan an, und sie sagen, sie wollen nicht auf die Stufe der Türkei herunter gezogen werden. Unsere Antwort ist: 'Ihr würdet ja erst einmal auf die Stufe der Türkei hochgezogen werden, weil die Türkei schon ein Kandidat ist.' Aber all diese Diskussionen, dass Verhandlungen mit offenem Ende geführt werden können - Stichwort: privilegierte Partnerschaft - das ist natürlich für sie wie ein rotes Tuch."

Mangelnder regionaler Dialog

Ob privilegierte Partnerschaft, Junior- oder Vollmitgliedschaft - eine Annäherung an die EU setzt ein friedliches Zusammenleben in der Region voraus. Der Stabilitätspakt fordert mehr Kooperation zwischen den Ländern - "Erweiterung vor der Erweiterung" heißt die Devise. Aber schon wenn man sich die Zusammenarbeit innerhalb Bosnien-Herzegowinas und Kosovos anschaue, sehe man, wie schwierig das sei, sagt der ehemalige serbische Außenminister, Goran Svilanovic. Er hält es für unmöglich, eine Beitritts-Strategie mit diesen Entitäten zu entwickeln, wenn sie nicht friedlich mit einander leben können.

Bosnien und Kosovo als Stolpersteine

Svilanovic meint: "Es mag zynisch klingeln, aber ich sage, dass sie erst dann mit einander friedlich leben können, wenn sie wissen, wer den Krieg gewonnen und ihn verloren hat. Mit Kroatien ist das Problem gelöst. Wir sind die Verlierer. In Bosnien und im Kosovo ist es noch offen. Und solange das offen ist, gibt es immer noch Träume, dass eines Tages Bosnien oder Kosovo geteilt werden. Oder dass es ein Groß-Albanien oder Groß-Kosovo geben wird."

Svilanovic fordert von der EU gerade für Kosovo eine schnelle Lösung der Status-Frage. Diesem Wunsch schließt sich die stellvertretende Premierministerin von Mazedonien, Radmila Sekerinska, an: "Der Status Quo sieht manchmal wie die leichteste Lösung aus, es kann aber auch die gefährlichere sein. Die Länder der EU müssen ganz klar sagen, wie die Status-Frage gelöst wird, und damit müssen sie sowohl nach Prishtina als auch nach Belgrad gehen."

Anila Shuka, DW-RADIO, 21.2.2005, Fokus Ost-Südost