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Geschichtsklippe "Rote Armee Fraktion"

29. Januar 2005

Die umstrittene RAF-Ausstellung ist in Berlin eröffnet worden. Das Kunstprojekt will nur noch eines zeigen: Kunst - und keinen Mythos .

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Johannes Kahrs' Meinhof-BildBild: Presse

Man zeige keine Ausstellung über die RAF, sondern der Wahrnehmung und der Bilder über die RAF. Dies erklärte Klaus Biesenbach, Kurator und ehemaliger künstlerischer Leiter der Kunst-Werke, zur Eröffnung der Ausstellung "Zur Vorstellung des Terrors: Die RAF-Ausstellung" am Freitag (28.1.2005) in Berlin. Dieser Grundsatz, so Biesenbach, hätte die vorausgehende Debatte erübrigen sollen. In einem fast eineinhalb Jahre dauernden Streit war den Ausstellungsmachern Biesenbach, Ellen Blumenstein und Felix Ensslin, Sohn der RAF-Terroristin Gudrun Ensslin, vorgeworfen worden, sie hätten die Opfer vergessen und den Terror zum Mythos verklärt.

Katharina Sieverding, Schlachtfeld Deutschland
Katharina Sieverding, 'Schlachtfeld Deutschland' (1978 )Bild: Presse

Der Streit zwang die Kunst-Werke, ein neues Konzept für die mit 100.000 Euro vom Hauptstadtkulturfonds geförderte Ausstellung auszuarbeiten. Darin sollte die Rolle der Opfer des Terrors stärker berücksichtigt und die Geschichte der linksterroristischen Vereinigung "Rote Armee Fraktion" (RAF) historisch aufgearbeitet werden. Zuletzt verzichteten die Organisatoren auf die staatliche Förderung und finanzierten die Ausstellung aus der Versteigerung von Kunstwerken, mit denen internationale Künstler das Projekt unterstützten.

Verhaltene Ausstellung

Die Ausstellung zeigt auf vier Etagen Kunstwerke von 52 Künstlern, die sich mit der Geschichte und den Bildern der RAF auseinandersetzen. Die Künstler unterscheiden sich darin, ob sie den Terror der 1970er-Jahre als Zeitzeugen erlebt haben oder die Geschichte nachträglich nur vom Hörensagen, aus den öffentlichen Medien wie Zeitung, Film und Fernsehen, kennen. Die künstlerische Auseinandersetzung mit den Bildern steht im Zentrum der Ausstellung.

Hans-Peter Feldmann, Die Toten
Hans-Peter Feldmann, 'Die Toten', 'Andreas Baader 18.10.1977' (1998), BildausschnittBild: Presse

In der Haupthalle der Ausstellung versammelt eine "Zeitleiste" die Presseberichterstattung über den Terror der späten 1960er-Jahre bis zur Selbstauflösung der RAF am 20. April 1998. In der Mitte der Halle zeigt Hans-Peter Feldmanns Bilderzyklus "Die Toten" (1998) die über 90 Toten, die der Linksradikalismus in den Jahren 1967 bis 1993 gefordert hat. Feldmann unterscheidet nicht zwischen Opfern und Tätern, sämtliche Bilder entstammen den Printmedien. Die Auseinandersetzung mit den Bildmedien zeigen auch Gerhard Richters "Baader-Meinhof-Fotos" (1989), die die Vorlagen bis zur Unkenntlichkeit verwischen.

Wohl eher unfreiwillig beschreibt die Ausstellung die Schwierigkeit der Künstler, in der Auseinandersetzung mit den Medien nicht zu verblassen, deren Bilder teils zum kollektiven Bildgedächtnis gehören. Die Ausstellung wirkt darum recht verhalten. Häufig ist es schwierig, ohne Kenntnis des genauen historischen Kontextes die Arbeiten zu entschlüsseln. Jüngere Arbeiten zitieren bewusst aus allgemein bekannten Bildern, wie etwa Johannes Kahrs überlebensgroßes Pastellbild Ulrike Meinhofs (2001). Vom ursprünglichen Vorhaben der Kunst-Werke, eine Mischung aus dokumentarischem Material und künstlerischen Arbeiten zu zeigen, ist alleine die künstlerische Auseinandersetzung geblieben.

"Mythos RAF"

Martin Kippenberger, Ohne Titel
Martin Kippenberger, 'Echt' (1985), BildausschnittBild: Presse

Um die Selbstbeschneidung der Ausstellungsmacher auf eine reine Kunstausstellung zu verstehen, muss man den politischen Streit rekapitulieren. Er entbrannte, als im Juli 2003 Auszüge aus dem Ursprungskonzept an die Öffentlichkeit kamen. In dem Papier hieß es: "Welche Ideen, Ideale haben ihren Wert durch die Zeit beibehalten und können nicht als naiv abgetan werden?" Hergard Rohwedder, Witwe des 1991 von der RAF ermordeten Treuhandchefs Detlev Rohwedder, und Hanns-Eberhard Schleyer, Sohn des 1977 ermordeten Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer, schrieben im Namen der Hinterbliebenen der RAF-Opfer einen Brief an Bundeskanzler Gerhard Schröder und Innenminister Otto Schily. Sie fürchteten eine "Legendenbildung und Glorifizierung" der RAF durch eine Ausstellung, die zu diesem Zeitpunkt noch den Arbeitstitel "Mythos RAF" trug.

Politiker und die Öffentlichkeit schalteten sich in die Debatte ein. Dabei schien ein längst überwunden geglaubter Gegensatz aufzubrechen: der zwischen Staatstreuen und vermeintlichen Terrorismussympathisanten.

Prada-Meinhof

Auf dem Höhepunkt der öffentlichen Empörung beschlossen die Organisatoren, die Ausstellung um ein Jahr zu verschieben. Biesenbach räumte ein, es versäumt zu haben, die Angehörigen rechtzeitig zu informieren. Die Absicht sei weiterhin, den Mythos-RAF zu demontieren, der für die jüngere Generation ein rein mediales Bild aus Film und Popkultur sei. Damit beschreibt Biesenbach das Phänomen der Kommerzialisierung und Popularisierung der RAF und ihrer Leitfiguren Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof zu entpolitisierten Ikonen der Popkultur. Für dieses Phänomen gibt es sogar ein eigenes Schlagwort: Prada-Meinhof (ein Wortspiel auf Baader-Meinhof) - es meint, dass die revolutionäre Attitüde zu einem modischen Accessoire geworden ist.

Rückzug auf die Kunst?

Ausstellung zur RAF Sigmar Polke, Ohne Titel (Dr. Bonn)
Sigmar Polke, 'Ohne Titel (Dr. Bonn)' (1978), BildausschnittBild: Presse

Im September 2003 präsentierten die Kunstwerke ein neues Ausstellungskonzept, das die Kunst in den Mittelpunkt stellen sollte. Damit wandten sich die Ausstellungsmacher gegen Forderungen aus der Politik nach einer historischen Aufarbeitung der Geschichte der RAF. Zugleich wurden die Kooperationen mit dem Hamburger Institut für Sozialforschung gekündigt, welche die Dokumentation übernehmen sollte. Gekündigt wurde ebenso die Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung, welche die Ausstellung mit einem Lehrprogramm begleiten sollte. Die Bundeszentrale ist dem Innenministerium und somit Otto Schily unterstellt, Bundesinnenminister und ehemaliger RAF-Anwalt. Die Kunst-Werke beschränkten sich nun auf die Künste. Kunst könne nicht die Aufgabe übernehmen, "ein abschließendes, abgerundetes Bild über einen Zeitabschnitt der bundesrepublikanischen Geschichte zu liefern", heißt es in dem neuen Konzeptpapier.

Um ihren historischen Teil entkernt liefern die Kunst-Werke somit eine künstlerische, teils selbstreflexive Auseinandersetzung mit dem Phänomen RAF. Wie der Titel bereits andeutet, soll es sich nur um eine "Vorstellung" des Terrors handeln.