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Schwieriges Krisenmanagement

Sybille Golte4. Januar 2005

Indonesien durchlebt derzeit eine Katastrophe von kaum vorstellbarem Ausmaß. Viele Überlebende im Land hungern - Seuchen drohen, Hilfsgüter kommen nicht zu den Bedürftigen. Hat die Regierung versagt?

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Nur wenige Monate nach seinem Amtsantritt steht Indonesiens neuer Präsident Susilo Bambang Yudhoyono vor einer kaum zu bewältigenden Aufgabe. Wie kein anderes Land ist Indonesien von der Flutwelle heimgesucht und zerstört worden. Was das Ganze noch schlimmer macht: Die Katastrophe überfiel eine Region, die ohnehin durch einen jahrzehntelangen Bürgerkrieg ausgezehrt und durch das seit 2003 geltende Kriegsrecht zivilgesellschaftlicher Institutionen beraubt ist. Dass wenige Wochen vor der Katastrophe der lokale Gouverneur wegen Korruption hinter Gitter wanderte, wirft ein Schlaglicht auf ein weiteres Problem dieser und aller anderen indonesischen Provinzen.

Die politische Ausgangslage erschwert die Arbeit der internationalen Hilfsorganisationen. In den meisten Ländern, die vom Tsunami verwüstet wurden, gibt es lokale Partnerorganisationen, die mit den internationalen Helfern zusammenarbeiten und die Logistik vor Ort stellen.

In Aceh ist das nicht der Fall: Die einzige Organisation, die dort in großer Zahl und mit der entsprechenden Infrastruktur im Einsatz ist, ist das indonesische Militär: Seit 1976 tobt ein blutiger Bürgerkrieg zwischen der Armee und der Unabhängigkeitsbewegung "Freies Aceh" - 12.000 Menschen sind den Kämpfen inzwischen zum Opfer gefallen.

Heikle Situation

Für den neuen Präsidenten ist die Situation heikel: Seit seinem Amtsantritt hat Susilo Bambang Yudhoyono immer wieder unterstrichen, dass er für Aceh und andere Krisenregionen eine Verhandlungslösung sucht - also keine militärische wie seine Vorgänger. Wie einige Nachrichten aus der Krisenregion zeigen, gehen die Militäreinsätze aber trotz Yudhoyonos Waffenstillstandsaufruf nach dem Tsunami weiter.

Nach 30 Jahren Diktatur ist das Militär in Indonesien noch immer eine politische Größe. Gerade vor diesem Hintergrund hat Yudhoyono genau das Richtige getan: Er hat das Kriegsrecht ausgesetzt, die Grenzen zu Aceh geöffnet und internationalen Organisationen unbegrenzten und ungehinderten Zugang gewährt. Damit hat der politische Konflikt in Aceh das gewonnen, was jahrelang fehlte: Öffentlichkeit. Das wird sowohl Rebellen als auch Militärs die Hände binden - und Yudhoyono hat das Primat der Politik zurückerobert.

Was aber ist mit dem Krisenmanagement? Angesichts der Zerstörungen, die das Beben und die Flutwelle in Aceh angerichtet haben, ist es vermessen zu glauben, die apokalyptischen Auswirkungen wären kurzfristig in den Griff zu bekommen. Auch wenn viele Kameras zunächst auf die Badeorte westlicher Touristen in Sri Lanka und Thailand gerichtet waren - in Aceh wurde von der internationalen Gemeinschaft aber auch von den indonesischen Hilfsorganisationen schnell alles Menschenmögliche getan, um die Not der Überlebenden zu lindern.

Keine Hilfe durch Frühwarnsystem

Die Flutkatastrophe hat allerdings gezeigt, dass es dabei Grenzen gibt. Indonesien hätte ein Frühwarnsystem nicht geholfen. Nach dem Beben folgte die Welle binnen weniger Minuten mit ihren verheerenden Folgen. Kein noch so gutes Krisenmanagement hätte das verhindern können.

Nun stehen jahrelange Wiederaufbauarbeiten an: Die Jahrzehnte um Unabhängigkeit ringende Provinz Aceh wird dabei erkennen müssen, dass sie allein nicht überlebensfähig ist. Wenn am Ende der Katastrophe eine politische Lösung für die Bürgerkriegsregion steht, wenn die überlebende Bevölkerung sich als Teil des Vielvölkerstaats Indonesien versteht und wenn nicht Millionen von Hilfsgeldern in den Taschen korrupter Verwaltungsbeamter verschwinden - dann hat Präsident Yudhoyono gute Arbeit geleistet.