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Besser spät als nie

Ute Schaeffer 1. Januar 2005

Viktor Janukowitsch hat seinen Rücktritt als Ministerpräsident erklärt, damit ist die Staatskrise beendet. Jetzt wartet eine Riesenaufgabe auf die Politiker. Ute Schaeffer kommentiert.

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Der Kampf um das Präsidentenamt in der Ukraine hat ein Ende: Viktor Janukowitsch hat aufgegeben. In der Silvesternacht erklärte der Gegenkandidat von Viktor Juschtschenko seinen Rücktritt als Regierungschef. Sein wütender Widerstand, seine Tiraden und gerichtlichen Klagen gegen das Ergebnis der Stichwahl vom 26. Dezember sind damit in sich zusammengefallen. Janukowitsch hat die Konsequenzen gezogen aus der einmütigen Haltung der ukrainischen Justiz, der Wahlkommission und der ausländischen Beobachter.

Besser spät als nie - so mag man als Beobachter von außen denken. Doch ist der beharrliche Widerstand der Janukowitsch-Anhänger gegen das Ergebnis auch ein Vorzeichen für die Schwierigkeiten, die dem Aufbau von Demokratie und Rechtsstaat in der Ukraine entgegenstehen.

Janukowitsch war eine Marionette im Zirkus der Macht. Aufgebaut von Kutschma und ihm treu ergebenen Geschäftsleuten, von prorussischen Kräften, dem russischen Geheimdienst. Er sollte verhindern, dass westlicher Einfluss im Lande wächst, dass westliche Firmen zur Konkurrenz russischer Mitbewerber werden, dass sich die Ukrainer über ihre Medien, ihre Studentenorganisationen frei äußern können und eine vielstimmige demokratische Gesellschaft entsteht.

Doch die Machtübergabe im Sinne des alten Präsidenten Leonid Kutschma schlug fehl. Aus dem hölzernen, rhetorisch wenig begabten Technokraten Janukowitsch wurde kein zweiter Wladimir Putin, kein Überraschungskandidat, der das alte Unrechtsregime hätte fortsetzen können. Die beharrenden, die undemokratischen Kräfte hinter ihm hatten die Rechnung ohne die Mehrheit im Land gemacht. Sie hatten nicht mit dem erbitterten, dem mutigen und gut aufgebauten Widerstand der Opposition gerechnet.

Die Enttäuschung ist groß. Und die Enttäuschten in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft werden nun versuchen, eine geschlossene Widerstandsbewegung gegen die künftige Regierung aufzubauen. Nicht nur im Parlament wird Juschtschenko mit Störfeuern rechnen müssen. Im Süden und Osten des Landes werden sich in Gebietsräten oder schlicht auf der Straße Menschen gegen die neuen politischen Kräfte stellen.

Es wird deshalb entscheidend darauf ankommen, dass Juschtschenko den Menschen in diesen Regionen die Angst nimmt, ihnen werde nun über drastische Reformen der Arbeitsplatz, der Lohn genommen, sie würden sich - wegen ihrer russischen Sprache oder ihrer russischen Herkunft - künftig am Rande der ukrainischen Gesellschaft wiederfinden. Wenn das gelingt, dann wird der Widerstand schnell in sich zusammenfallen, denn er ist in sich zersplittert und reicht von Kommunisten und Sowjetnostalgikern bis hin zu pragmatischen Geschäftsleuten. Für Juschtschenko und seine Anhänger gilt es, die "Basis" - die Menschen in den Fabriken, den Kohlegruben, den Schulen und Krankenhäusern - für die neue Regierung zu gewinnen. Es muss Vertrauen erarbeitet werden.

Das wird Juschtschenko nur gelingen, wenn er und die künftige Regierung eine glaubwürdige und eine sozial wie regional gerechte Politik auf die Beine stellen. Und das schnell. Eine Riesenaufgabe! Die Einheit des Landes wiederherzustellen, das wird die erste Aufgabe des neuen Präsidenten sein - und zugleich die größte Herausforderung der ersten Wochen im Amt. Sollte sich Viktor Janukowitsch im Widerstand gegen die neue demokratische Bewegung eine Heldenrolle ausrechnen, so wird er auch dieses Mal daneben liegen. Er hat es, trotz Wahlkampf und schwergewichtiger Unterstützer, nicht zu einem eigenständigen politischen Profil gebracht und wird auch künftig im politischen System der Ukraine allenfalls eine Nebenrolle spielen.