1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Esoterik-Boom in China

Dominique Stilz 22. Dezember 2004

Buddhismus, Daoismus und die Lehren des Konfuzius: In China existieren viele Glaubensrichtungen friedlich nebeneinander. Mit dem wirtschaftlichen Wandel erlebte ein uralter Volksglaube eine Renaissance: die Wahrsagerei.

https://p.dw.com/p/61DE
2004 war ein Jahr des AffenBild: dpa

Konzentriert beugt sich Meister Li über seinen dicken Kalender. Er rechnet. Von mir weiß er nicht mehr, als den Ort, sowie Jahr, Tag und Stunde meiner Geburt. Aus diesen Daten ergibt sich, glaubt man an Feng-Shui, mein individuelles "Chi" und damit meine Zukunft.

Meister Li ist ein großer, massiger Mann, dem man seine 51 Jahre nicht ansieht. Wer zu ihm will, muss durch das Gewirr aus Straßen und Gässchen eines Pekinger Hutongs, einem der letzten alten Viertel der Millionenstadt. Zwischen zum Trocknen aufgehängter Babywäsche und alten Männern, die auf der Straße Mahjong spielen, weist ein schmales Schild den Weg: In großen, roten Lettern steht Meister Li darauf, darunter ein Yin und Yang-Zeichen.

Harmonie ohne Kirche

Pater Roman Malek arbeitet in Bonn. Er ist Herausgeber einer jährlich erscheinenden Fachzeitschrift für Sinologen und ein Kenner der chinesischen Religion. "Die chinesische Religiosität - wie überhaupt die ostasiatische - ist nicht institutionsgebunden, dass heißt sie ist nicht kirchlich. Das ist kein System und wichtig ist immer für uns zu verstehen, dass man einfach dazu gehört." Die Spiritualität ist so tief im Volk verwurzelt, dass auch die Gräueltaten der Kulturrevolution ihr nichts anhaben konnten. Direkt nach Maos Tod im Jahr 1976 lebten die alten Bräuche und Riten wieder auf.

Ziel des chinesischen Glaubens ist stets das Erreichen von größtmöglicher Harmonie: "Das, was wir als Glück bezeichnen, das ist in China die Harmonie. Heil - Erlösung - wird durch die Harmonie herbeigeführt, durch diese Balance zwischen Yin und Yang."

Horoskope bestimmen Gästelisten

Chinesische Tierkreiszeichen
Telefonkarten mit den Abbildungen chinesischer TierkreiszeichenBild: dpa

Für Chinesen spielt Feng-Shui eine wichtige Rolle im Leben. So ist vor der Hochzeit ein Besuch beim Feng-Shui-Meister Pflicht. Eine Unzahl von Faktoren muss berücksichtigt werden: Ort, Jahr, Tag und Stunde der Geburt der Ehekandidaten, die Bedeutung der Namen sowie die Blutgruppen werden miteinander abgeglichen. Ist eine grundsätzliche Übereinstimmung vorhanden, beginnt die Suche nach einen geeigneten Hochzeitstermin. Ein hochkomplexer Prozess, der nicht selten damit endet, dass etwa ein Bruder nicht zur Hochzeit seiner Schwester kommen darf, weil sein Horoskop die Harmonie des Tages stören würde.

Kein schlechtes Horoskop

Meister Li hat das Rechnen beendet. Ruhig sitzt er mir gegenüber und doziert aus seiner Tabelle. Nach einer halben Stunde weiß ich, dass ich auf mein Herz aufpassen muss, da ich in der Woche von "Blut und Herz" geboren bin. Dafür aber werde ich eine Erbschaft machen. Allgemeinplätze, denke ich, doch dann wird es persönlich: "Deinen ersten Mann lernst du im Jahr 2005 kennen. Er ist sehr groß, sieht gut aus und ist tüchtig. Ein guter Termin für eine Hochzeit wäre 2008.

Du wirst drei Kinder haben. Dein erstes Kind wird ein Junge, danach bekommst du noch einen Jungen und dann ein Mädchen. Die beiden Jungen werden gute und erfolgreiche Geschäftsleute, dass Mädchen taugt nur für den öffentlichen Dienst. Ich denke, sie wird Beamtin."

Na ja, es hätte schlimmer kommen können, finde ich und zahle gern 100 Yuan.