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Steht Russland vor einer Umverteilung des Eigentums?

2. Dezember 2004

– Rechnungshof spricht von Verstößen bei der Privatisierung

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Moskau,1.12.2004, NESAWISSIMAJA GASETA, russ., Aleksandra Samarina, Irina Romantschewa

(...) Der Chef des russischen Rechnungshofes, Sergej Stepaschin, plädiert seit langem für die Verstaatlichung großer russischer Unternehmen. Dieser Tage tauchte auf der Webseite des Rechnungshofes ein vom Kollegium der Kammer bestätigtes Papier mit dem Titel "Analyse der Prozesse der Privatisierung des Staatseigentums in der Russischen Föderation im Zeitraum zwischen 1993 und 2003" auf.

Ein Dokument von schicksalhafter Bedeutung. Ab jetzt wird das russische Business nach neuen Regeln leben, die in dem Papier genau festgehalten wurden. Es sieht so aus, als ob die Ergebnisse der Privatisierung gründlich geändert würden. Nach Einschätzung des Rechnungshofes sei die soziale Effizienz der Privatisierung äußerst gering gewesen. Auch sei das Prinzip der Gleichberechtigung der Bürger und der Berücksichtigung der Interessen und Rechte aller Bevölkerungsschichten nicht eingehalten worden.

Im Bericht geht es hauptsächlich um Versteigerungen. Die Verfasser des Dokuments zählen die Firmen auf, bei denen sie daran zweifeln, dass sie rechtmäßig in Privateigentum umgewandelt wurden: TNK, Sibneft, Sidanko, Jukos, Slawneft u.a.m. "Bei 12 Versteigerungen lag der Kredit weit über dem Anfangspreis. In den übrigen Fällen wurde der Anfangspreis rein symbolisch überschritten", behaupten die Experten.

"Die Tatsache, dass der Staat keine langfristige Privatisierungspolitik betreibt", so der Rechnungshof, "hat dazu geführt, dass Aktien strategisch wichtiger Betriebe von ausländischen Firmen erworben wurden (13,24 Prozent der Aktien der OAO Permskije motory, 26,7 Prozent der Aktien der Tupolew-ANTK)."

Die Besonderheit des Schreibens besteht darin, dass darin festgehalten wird, wie der Status quo wieder hergestellt werden kann. Eine dieser Methoden, kaum die einfachste, wird bereits angewandt – am Beispiel von Jukos. Jetzt hat die Verfolgung des Business eine solide methodologische Begründung bekommen. "Die vom Rechnungshof der Russischen Föderation aufgedeckten Fälle, die sich auch bestätigt haben, werden es ermöglichen, einige dieser Geschäfte auf dem Gerichtsweg (...) für ungültig zu erklären", heißt es im Dokument. Das bedeutet, dass die künftigen Prozesse, die die Ergebnisse der Privatisierung außer Kraft setzen werden, nach einem vereinfachten Schema verlaufen werden, das auf einem Präzedenzfall basiert.

Indirekt wird Stepaschin in seinem Vorhaben von Wladimir Putin unterstützt, der gestern (30.11.) beim Allrussischen Richter-Kongress erklärte, dass die Macht in Russland immer noch der Druck von Oligarchen-Gruppen verspüre. "Teilweise ist das immer noch so. Das muss ich leider sagen." "Wir kämpfen dagegen an und werden das auch weiterhin tun", so der Präsident.

In der Kette dieser Ereignisse sieht auch die gestrige Erklärung des Generaldirektors von Gaspromneft, Sergej Bogdantschikow, beim zweiten internationalen Forum "Gas Russlands-2004" nicht als Zufall aus. Sollte eine Reihe von Versteigerungen für ungültig erklärt werden, so sei der Staat bereit, die größten Erdölgesellschaften Russlands zu erwerben. Was die Prioritäten betrifft, so nannte Bogdantschikow nicht nur Juganskneftegas, sondern auch Sibneft. (...) (lr)