1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Spekulationen um Aufenthaltsort von flüchtigen ICTY-Angeklagten

16. November 2004

– Serbischer Ex-Vizepremier: Das Militär gewährt mutmaßlichen Kriegsverbrechern Unterschlupf

https://p.dw.com/p/5rjg

Bonn, 15.11.2004, DW-RADIO/Serbisch, Ejub Stitkovac

Auch wenn Serbiens Präsident Boris Tadic Druck auf die Regierung ausübt, damit sie ihre internationalen Verpflichtungen, in erster Linie die Kooperation mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal erfüllt, hat er nicht die Vollmacht, das Parlament aufzulösen oder die Regierung zu stürzen. Dies erklärte unter anderem der Berater des serbischen Präsidenten, Vuk Jeremic, zu den jüngsten Meldungen über Angeklagte des UN-Kriegsverbrechertribunals (ICTY). Ein Beitrag aus Belgrad von Ejub Stitkovac.

Bereits seit Jahren wiederholt sich in politischen Kreisen Serbiens und in den Medien der Satz, dass die Behörden nicht wüssten, wo sich mutmaßliche Kriegsverbrecher verbergen. Und wenn sie es wüssten, würden sie sie ausliefern. Es ist jedoch so einiges bekannt, aber niemand wagte es oder wollte dies aufdecken. Als davon die Rede war, dass die Vertreter der Staatsorgane keinen Kontakt zu ICTY-Angeklagten hätten, war bekannt, wo sie sich befanden. Der ehemalige Verteidigungsminister und derzeitige Präsident Serbiens, Boris Tadic, legt einige Daten vor: "Ich habe Ermittlungen über Kontakte zu Ratko Mladic, Veselin Sljivancanin und den übrigen Angeklagten aus den Reihen der Streitkräfte befohlen. Die Ermittlungen sind abgeschlossen und die Daten stehen fest: Mladic hatte zum letzten Mal Kontakt mit der Armee im Mai 2002 und Sljivancanin im Januar 2003. Diese Angaben habe ich nicht nur an den Obersten Verteidigungsrat weitergeleitet, sondern auch an unsere und die internationale Öffentlichkeit. Ratko Mladic hatte allerdings Kontakt zur Armee, bevor das Gesetz über die Zusammenarbeit mit dem ICTY verabschiedet wurde. Sljivancanin versuchte, bei seinem letzten Kontakt in eine Kaserne zu gehen, was ihm aber untersagt wurde."

Für einen Teil der Öffentlichkeit und für einige politische Parteien besteht kein Zweifel daran, dass einige der angeklagten Generäle sich auch heute noch in speziellen Militärgebäuden versteckt halten. Die Direktorin der Zeitschrift "Srpska rec" (dt.: serbisches Wort) und Ehefrau des serbisch-montenegrinischen Außenministers, Danica Draskovic, behauptet, dass die Leibwächter des ICTY-Angeklagten Nebojsa Pavkovic kürzlich zwei Angehörige der Garde in der Kaserne in Topcider getötet haben. Unter dieser Kaserne befindet sich ein mehrstöckiger Militärbunker. Es folgt eine Erklärung von Frau Draskovic gegenüber dem Fernsehsender B92: "Ich glaube, dass ist eine große Heuchelei und Serbien darf nicht mehr dazu bereit sein, für Milosevic, seine Politik und seine Leute zu fallen. Sie sehen es ja selbst, die gesamte Staatsspitze birgt Geheimnisse. Es ist bekannt, dass sie sich in diesen unterirdischen Kasematten verbergen. Es ist bekannt, dass sich auch in Leskovac ein ähnliches unterirdisches Zentrum befindet, wo ein Soldat ums Leben gekommen ist, ein Sicherheitsmann von General Lazarevic, der sich dort versteckt. Es gibt keine Geheimnisse, alle wissen Bescheid, aber keiner will etwas sagen, weil, wenn die Wahrheit ans Licht kommt, all zurücktreten müssten. Und das wäre für sie ein zu hoher Preis."

Der ehemalige serbische Vize-Premier Zarko Korac erinnerte daran, wie sich die Armee früher gegenüber flüchtigen ICTY-Angeklagten verhielt: "Unmittelbar nachdem der Ausnahmezustand aufgehoben war, sahen Mitarbeiter von Sicherheitsdiensten, die Veselin Sljivancanin verfolgten und den Auftrag hatten, ihn zu verhaften, wie er ins Gebäude des Generalstabs der Armee floh. Auf die Anfrage von Vertretern des Innenministeriums und der Regierung bei der Armee, was Sljivancanin beim Generalstab zu suchen habe, erhielten wir nach drei Tagen die Antwort, er sei dort gewesen, um sich die Haare schneiden zu lassen." (...) (md)